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»Exotische Pflanzen sind für Insekten oft völlig wertlos«

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Es muss nicht immer ein eigener Garten sein – auch auf dem Balkon können Sie für Insekten eine kleine Oase schaffen. Erfahren Sie im Interview mit Janna Einöder vom NABU Berlin, wie so ein insektenfreundlicher Balkon aussieht und warum wir die kleinen Sechsbeiner oft unterschätzen. Plus: die Top 4 der idealen Balkonpflanzen

Zur Person

Janna Einöder hat ihren Master in Umweltbiologie in Utrecht gemacht. Ihre Masterarbeit schrieb sie zum Thema Hummeln. Seit 2020 arbeitet sie in der NABU-Landesgeschäftsstelle Berlin als Pressereferentin und Referentin für Stadtgrün. Die gebürtige Kölnerin hat einen eigenen Balkon. Dort beobachtet sie sehr gerne ihren Kübel, in dem sie Pflanzen und Kräuter wild wachsen und aussamen lässt.

Zum Start in die Balkonsaison lesen Sie auch diese Beiträge: 
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Warum sind Insekten so wichtig für unsere Umwelt?
Insekten gehören einfach zu unserem Leben dazu. Ohne sie wäre die Welt nur halb so schön, finde ich. Sie haben wichtige Funktionen für uns und unsere Ökosysteme. Die für uns sehr wichtige Aufgabe ist die Bestäubung unserer Wildpflanzen, aber auch unserer Früchte und Gemüsepflanzen. Sie sind aber auch Verwerter und Regulatoren: Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Zersetzung von organischem Material oder sind wertvoll beim Regulieren von Krankheiten.

Welche Insekten sind denn die besten Bestäuber?
Die meisten denken dabei sofort an die Honigbiene. Aber Honigbienen sind recht faul und bestäuben nicht so akkurat. Sie fliegen immer sehr gerne auf Blüten einer gleichen Farbe oder einer gleichen Art, daher werden sie auch so gerne für die Bestäubung von Nutzpflanzen verwendet. Wildbienen hingegen sind kleiner, verweilen länger auf der Blüte und können so den Pollen gut verteilen. Aber es gibt auch noch andere Bestäuber, die man nicht unbedingt auf dem Schirm hat – die Fliegen. Erwachsene Schwebfliegen ernähren sich ausschließlich von Nektar und Pollen und bestäuben sehr gut. Sie sind für mich die Hidden Champions.

Was würde passieren, wenn es keine Insekten mehr gäbe?
Das Ökosystem würde aus dem Gleichgewicht geraten. Vögel hätten viel weniger bis gar keine Nahrung mehr und die Bestäubungsleistung würde nachlassen. Der aktuelle ökonomische Wert wurde allein in Deutschland auf 3,8 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Das heißt, wenn es keine Insekten mehr gäbe, würde das auf jeden Fall erhebliche Kosten für Mensch und Natur bedeuten.

Haben Sie eine Zahl, wie viele Insekten mittlerweile ausgestorben oder bedroht sind?
Pauschal kann man das definitiv nicht sagen, weil ganz viele Daten fehlen. Dazu zählen Rote Listen, die nicht mehr aktualisiert werden. Auch Expert:innen werden weniger, die sich richtig gut mit den jeweiligen Arten auskennen. In Berlin gelten zum Beispiel 13 Prozent aller Arten als ausgestorben oder verschollen und 31 Prozent als gefährdet. Doch auch hier fehlen Daten zur aktuellen Lage. Indizien für einen massiven Rückgang zeigen lokale Erhebungen wie die Krefelder Studie aus dem Jahr 2017. Biolog:innen haben die Biomasse der Insekten in Schutzgebieten in Nordwestdeutschland gemessen. Es wurde ein Rückgang von 75 Prozent festgestellt. Das ist erschreckend.

Wer oder was hat denn den größten Einfluss auf das Insektensterben?
Ein großes Problem sind die Versiegelung und zunehmende Inanspruchnahme von Flächen. Vor allem für Bodeninsekten ist das eine Katastrophe, weil ihnen der ganze Lebensraum genommen wird, aber auch anderen Insekten fehlt immer mehr Lebensraum. Auch die Klimakrise beschleunigt das Artensterben, denn lange Hitze- und Dürreperioden oder Starkregenereignisse können für Insekten lebensbedrohlich werden.

Viele Insekten suchen sich mittlerweile ihren Lebensraum in der Stadt. Wie geeignet ist dieses Habitat wirklich für sie?
Tatsächlich sind Städte ein Refugium für viele Insekten, vor allem für Fluginsekten. Wildbienen, zum Beispiel, lieben die vielfältigen Nischen in der Stadt. Hier in Berlin gibt es viele Kopfsteinpflasterstraßen, wo sie sich perfekt in den Zwischenräumen einnisten können – sofern es Nahrungspflanzen in der Nähe gibt. In einer Großstadt leben aber vorrangig Insekten, die robuster sind und gut mit Störungen und Lärm umgehen können. Beispiele für die Anpassungsfähigkeit sind die Wildbienen, die in Blumenkästen nisten. Doch auch hier in der Stadt schwinden Lebensräume durch Versiegelung.

»Damit sich Insekten wohlfühlen, braucht es immer diesen Dreiklang: Nahrung, Lebensraum und Nistplatz.«

Janna Einöder, NABU Berlin

Wie kann man seinen Balkon so gestalten, dass sich Insekten dort wohlfühlen?
Damit sich Insekten wohlfühlen, braucht es immer diesen Dreiklang: Nahrung, Lebensraum und Nistplatz. Das heißt, man sollte vor allem heimische Sträucher, Stauden oder Ähnliches anbieten. Daran sind die Insekten angepasst. Exotische Pflanzen können zwar prächtig aussehen, sind für Insekten jedoch oft völlig wertlos. Strukturelemente sind immer toll, beispielsweise sandige Ecken, trockene Pflanzenstängel, Bambusstäbe oder Holzscheite. Wasserstellen sind vor allem im Sommer sehr wichtig. Da reicht ein Blumenuntersetzer mit ein bisschen Moos oder Steinen darin, damit die Insekten landen und dort trinken können.

Wenn ich Geld sparen möchte, könnte ich auch in den Wald oder auf die Wiese, um dort Totholz oder Steine mitzunehmen?
Ja, das wäre eine Möglichkeit. Aber man sollte auf jeden Fall darauf achten, ob auf dem Holz oder auf der Rinde nicht schon kleine Insekten leben. Denn: Wenn man auf einem Balkon ganz oben wohnt und im Wald einen Totholzast mitnimmt, der eigentlich ganz gut im Schatten gelegen hat, dann verändert man dort auch den Lebensraum sehr stark. Deswegen würde ich vielleicht lieber die Nachbarn fragen, wenn sie im Garten einen Baum gefällt haben und nicht wissen, wohin mit dem Holz und den Ästen.

Was sollte man auf seinem Balkon vermeiden?
Gift steht für mich an erster Stelle. Pestizide gegen Blattläuse, gegen Schnecken etc. bitte auf keinen Fall einsetzen. Selbst wenn man das nur einmal und lokal macht, weiß man nicht, wie weit das getragen wird. Das geht dann in den Boden, und wenn dieser nicht ausgetauscht wird, kann das große Schäden anrichten. In einem gesunden Ökosystem werden die vermeintlichen Schädlinge zu Nützlingen für andere Insekten. Der Marienkäfer und die Blattlaus sind einfach eine super Kombination. Leider gibt es in vielen Baumärkten schöne Pflanzen, die oft mit viel Gift und Torf hochgezogen wurden, und dann nach zwei Wochen zu Hause anfangen zu kränkeln. Außerdem bringen sie unseren Insekten gar nichts, denn sie produzieren oft keinen Nektar, und die Insekten sind nicht an sie angepasst. Am besten ist es, heimische Pflanzen zu kaufen, die man auch im Internet bestellen kann. Es gibt auch regionale Baumschulen oder Gärtnereien, die einheimische Ware anbieten. Zudem sollte man unbedingt Torferde vermeiden, denn Torfabbau ist absolut klimaschädlich.

Welche Pflanzen können gut nebeneinander wachsen?
In einem Kasten sollte man Pflanzen zusammenbringen, die ähnliche Ansprüche und eine ähnliche Wuchskraft haben. Stauden, die trockenen, sauren Boden mögen, sollten beispielsweise nicht neben solchen gepflanzt werden, die humusreichen, nassen Boden bevorzugen. Gleich und Gleich gesellt sich gerne. Trockenheitsliebende Kräuter wie zum Beispiel Thymian und Rosmarin passen gut nebeneinander.

Welche Pflanzen wachsen ganzjährig sehr gut auf dem Balkon?
Am besten sind mehrjährige Stauden oder Pflanzen, die auch auf Wiesen vorkommen, zum Beispiel die Wiesenflocken- oder Glockenblumen. Ein Phlox blüht bei mir auch schon seit fünf Jahren üppig und lang. Viele Kräuter kommen auch immer wieder und blühen dann schön, wie der Thymian. Auch der Schnittlauch hat zum Beispiel eine ganz tolle Blüte, die man nur sieht, wenn man ihn wachsen lässt. Wenn der Balkon etwas größer ist, sind Beerensträucher wie die Himbeere oder Schwarze Johannisbeere ganz toll und ein Gewinn für Mensch und Tier: Die Beeren sind superlecker und gut für die Insekten.

Vier Pflanzen, die auf Ihrem Balkon nicht fehlen dürfen

1. Glockenblume 

Glockenblumen verdanken ihren Namen den hübschen glockenförmigen Blüten, die je nach Art und Sorte zwischen Mai und September erscheinen. Da die Blüten meist weit geöffnet sind, dienen sie vielen Insekten wie Bienen und Schmetterlingen als Nahrungsquelle.

Glockenblumen können von März bis Oktober gepflanzt werden. Wer sie im Frühjahr pflanzt, kann sich den ganzen Sommer über an ihren Blüten erfreuen. Glockenblumen bevorzugen einen sonnigen bis halbschattigen Standort. Regelmäßiges mäßiges Gießen reicht aus, Nässe mögen sie nicht. Die meisten Glockenblumen wie Bart-, Kaukasus-, Rapunzel-, Wiesen- und Zwergglockenblume sind winterhart.

2. Echter Lavendel

Lavendel eignet sich hervorragend als Balkonpflanze, da er Sonne und Wind gut verträgt. Er lockt zuverlässig Insekten wie Hummeln an. Der Topfballen darf leicht feucht sein, aber überschüssiges Wasser muss ablaufen können. Lavendel liebt einen hellen, sonnigen Standort und braucht Wärme für eine reiche Blüte.

3. Scharfer Mauerpfeffer 

Der Scharfe Mauerpfeffer ist eine heimische Pflanze. Das Dickblattgewächs wird nur bis zu zehn Zentimeter hoch und deswegen auch gerne für eine Dachbegrünung verwendet. Von Juni bis Juli zeigt er seine gelben Blüten, die vor allem bei Bienen, aber auch anderen Insekten, hoch im Kurs stehen. Der Mauerpfeffer bevorzugt einen vollsonnigen, hellen und warmen Platz. Die Pflanze mag es gern trocken, regelmäßig gießen muss man sie also nicht. Mauerpfeffer ist bis -20 Grad Celsius winterhart. 

4. Echter Thymian

Der Echte Thymian wird 10 bis 40 Zentimeter hoch. Von Mai bis in den Herbst hinein öffnet er kleine rosa bis violette Blüten, die von Wildbienen gerne als Nahrungsquelle angenommen werden. Das Gewürzkraut liebt ein sonniges Plätzchen mit einem locker-sandigen und kalkhaltigen Boden – im Idealfall aber geschützt vor Wind und Regen. Ist das gegeben, ist die Pflanze sehr pflegeleicht, gelegentliches Gießen reicht.

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Text Maria Dünninger
Illustrationen Anne Quadflieg, Adobe Stock/ruskpp, AdobeStock/Keiko Takamatsu, iStock/Olaf Simon

Kategorien
Menschen

»Ich habe keine Sekunde gezögert, diese Chance zu ergreifen«

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Julian Lammering leidet an einer genetisch bedingten Bewegungsstörung. Lange Zeit dachte er, Spitzensport sei nur etwas für andere. Doch nach dem Abitur kam alles anders. Der heute erfolgreiche Rollstuhlbasketballer darf mit seinem Team auf die Teilnahme an den Paralympics in Paris hoffen – ein Porträt.

Zur Person

Credit: Katharina Kemme

Julian Lammering, Jahrgang 2004, spielt derzeit als Center beim BBC Münsterland. Er sitzt aufgrund der hereditären spastischen Spinalparalyse, kurz HSP, im Rollstuhl. Seit 2023 ist er Mitglied der Nationalmannschaft und feierte mit seinem Team bereits Erfolge als WM-Achter und EM-Vierter.

Credit: Katharina Kemme
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Mit 14 war Julian Lammering übergewichtig, fand Rollstuhlfahren uncool und dachte, Spitzensport sei nur etwas für andere. Für die, die beim Schulsport mitmachen konnten. Deren Beine gut genug funktionierten, um von einer Karriere als Fußballprofi zu träumen. Dass das bei ihm nichts werden würde, war klar. Mit einer genetisch bedingten Bewegungsstörung träumt man solche Träume nicht. Da hofft man, dass die Lehrer als Ziel für Klassenausflüge nicht wieder die 533 Treppenstufen hoch gelegene Aussichtsplattform des Kölner Doms oder einen Sport- und Erlebnispark auswählen. Lammering ist das passiert. »An einer Regelschule ist es hart«, sagt er.  

Heute ist Julian Lammering 19 Jahre alt, hat sein Abitur in der Tasche und ist mittlerweile in Topform. Sein Oberkörper ist muskelbepackt. An seinen
Händen zeugen dicke Schwielen von vielen Stunden im Rollstuhl. Der ist ihm längst nicht mehr peinlich, sondern sein Sportgerät. Er hegt und pflegt die
14.000 Euro teure Hightech-Sonderanfertigung mit Hingabe. Julian Lammering ist Rollstuhlbasketballer geworden. Einer der besten im Land. Seit 2023
Mitglied der Nationalmannschaft, WM-Achter und EM-Vierter. Er darf sich Hoffnungen auf eine Teilnahme an den Paralympischen Spielen im kommenden Sommer in Paris machen.

Höhenflug: Mit dem Rollstuhlbasketball hat er einen
Sport gefunden, der ihm neues Selbstbewusstsein schenkt
Schule ade: Julian Lammering darf nach Schulschluss in der Sporthalle der Josefschule in Warendorf trainieren

Ein Montagnachmittag Ende Oktober. Lammering fährt mit seinem in die Jahre gekommenen Toyota Yaris auf den Hof der Josefschule im münsterländischen Warendorf. Wenn dort kein Unterricht mehr ist, darf er das. Er lädt seinen Rollstuhl aus und schiebt ihn zur Sporthalle. Sehr kleine Strecken kann er noch gehen. Seine Erkrankung, eine hereditäre spastische Spinalparalyse, abgekürzt HSP, ist fortschreitend. Erblich bedingt kommt es zu einer zunehmenden Degeneration im Rückenmark. Eine erhöhte Muskelspannung (Spastik) und Schwäche in der Beinmuskulatur führen zu einer immer stärkeren Gangstörung.  

Bei Lammering fiel die Erkrankung im Alter von drei Jahren auf. Damals wurde sein Gang plötzlich unsicher. Seine Mutter hatte gerade seinen kleinen Bruder Maximilian zur Welt gebracht. Und da auch sie eine Bewegungsstörung hat, angeblich, weil sie bei ihrer Geburt einem Sauerstoffmangel ausgesetzt war, hieß es zunächst, der kleine Julian mache aus Eifersucht auf das neue Baby die Mutter nach. »Es war ein langer Weg, bis die Ärzte verstanden haben, dass ich nicht nur so tue«, sagt Lammering. 

Dabei kam auch heraus, dass die Mutter ebenfalls HSP hat. Man hatte ihr immer versichert, ihre Bewegungsstörung sei nicht vererbbar. Nun haben beide Söhne dieselbe Erkrankung wie ihre Mutter. »Sie sagt aber immer, dass sie uns trotzdem bekommen hätte, wenn sie es gewusst hätte«, erzählt Lammering. »Weil sie gelernt hat, dass man auch mit dieser Einschränkung sehr gut leben kann.« Für ihre beiden Söhne gilt das besonders, seit sie den Rollstuhlbasketball entdeckt haben.  

»Ich habe geweint und wollte nach Hause«

Julian Lammering, Rollstuhlbasketballer

Julian Lammering war 13 Jahre alt. Bis dahin hatte er Bogenschießen und Reiten ausprobiert. Viel mehr gab es nicht für Jungs wie ihn in seinem Heimatort Gescher im Kreis Borken nahe der niederländischen Grenze. So war er zum übergewichtigen Sportmuffel geworden. Rollstuhlbasketball wurde nur in Münster angeboten, eine knappe Stunde Fahrt von seinem Zuhause entfernt. Als Lammering das entdeckte, ging er dort einmal pro Woche zum Training – und wurde nur anderthalb Jahre später, mit 15, zu einem Sichtungslehrgang der U-19-Nationalmannschaft eingeladen. 

Es ging für drei Tage nach Köln. »Ich habe geweint und wollte nach Hause«, erinnert sich Lammering sechs Jahre später. »Ich bin ein absoluter Familienmensch und habe Ferienlager gehasst.« Aber er hielt durch. Und wurde am Ende ins U-23-Nationalteam berufen. Er sollte zwei Wochen später mit nach Dubai zu einem Turnier fliegen. »Ich war fassungslos. Aber ich habe keine Sekunde gezögert, diese Chance zu ergreifen.« Heute sind Reisen Normalität für Lammering. Er ist mit seiner Bundesligamannschaft BC Münsterland in Deutschland unterwegs und mit den Nationalmannschaften der U 23 und der Herren in der ganzen Welt. »Ich habe einen Sport gefunden, in dem ich gut sein kann, in dem ich andere abziehen kann, das war total wichtig für mein Selbstbewusstsein«, erklärt er.

Harte Zeiten: Der Schulsport war für Julian Lammering damals eine Qual
Lässig versenkt: Auch beim Sitzbasketball hängt der Korb mit 3,05 Metern so hoch wie bei den »Fußgängern«

Die Sporthalle hat Lammering an diesem Montagnachmittag ganz für sich allein. Er schaltet die Lichter ein und lässt einen der Basketballkörbe hinunter. »Shooting« steht auf seinem dicht getakteten Wochenplan. Am Abend folgt noch »Fitti«, eine Trainingseinheit im Fitnessstudio. Die Muskeln am Oberkörper sind nicht nur für die Optik, sondern helfen Lammering auch im Spiel. Beim Rollstuhlbasketball geht es körperlich fast noch etwas mehr zur Sache als beim »Fußgänger«-Basketball. Es wird geschoben und gerempelt, da gilt es gegenzuhalten. 

Lammering schnallt sich in seinem Rollstuhl fest. Füße, Knie, Oberschenkel, Hüften – alles wird mit breiten Gurten fixiert. Dann legt er los. Anschieben, dribbeln, den Rollstuhl nur mit den Hüften elegant in eine Kurve legen – und Wurf. Wieder und wieder schickt Lammering den Ball auf die Reise in Richtung Korb. Am Anfang gehen noch viele daneben, dann laufen die Systeme des Athleten langsam warm. Schließlich ist ein Ball nach dem anderen ein Treffer. Der Korb hängt wie bei den Fußgängern in 3,05 Metern Höhe. »Wir können nicht dunken«, sagt Lammering, »aber alles andere können wir genauso.«

Seit dem vergangenen Sommer absolviert er bei seinem Verein in Warendorf einen Bundesfreiwilligendienst. Er leitet eine AG an einer Schule und hilft bei diversen Arbeiten im Klub. Vor allem aber trainiert er. Zu den drei Trainingseinheiten mit seiner Bundesligamannschaft kommen viel »Shooting« und viel »Fitti«, außerdem steht einmal Physiotherapie auf seinem Wochenplan. »Das Wichtigste sind die Überstunden«, sagt Lammering. Inzwischen steht ihm der Schweiß auf der Stirn. Er rollt wieder los, dribbelt, wirft, trifft. »Wenn du den Ball nicht in den Korb wirfst, kann dir kein Trainer helfen.«

Klein, aber seins: Julian Lammering wohnt mit seiner Freundin in einem Einzimmerappartement in Warendorf

Der Sportmuffel ist längst zum disziplinierten Musterathleten mit klaren Vorstellungen hinsichtlich seiner Zukunft gereift. Nach einem Jahr »allein wohnen light« in der Nähe der Heimat will er im nächsten Herbst mit seiner Freundin Tuva vom beschaulichen Warendorf aus weiterziehen, in eine neue Stadt zu einem neuen Klub. Als Rollstuhlbasketball-Profi könne man gut genug verdienen, um sich sein Studium zu finanzieren, sagt Lammering. Psychologie soll es bei ihm werden. Sie will Tiermedizin studieren. Aktuell wohnen die beiden auf engstem Raum in einem Einzimmerappartement zusammen. Das funktioniere gut, sagen sie. Er trainiert, sie macht ihr Abitur. Da bleibt nicht viel Zeit, sich auf die Nerven zu gehen.

Und Partys? Enge Spiele seien besser, sagt Lammering: »Da ist man so unter Adrenalin, das toppt jede Party.« Mit 15, 16 Jahren sei er viel unterwegs gewesen. Inzwischen lebe er nach dem Credo: »Feiern muss sich lohnen. Man schließt es nicht komplett aus, sondern reduziert es auf ein paar Gelegenheiten, zu denen es sich dann richtig lohnt.« Seine Freundin ist da ganz auf seiner Wellenlänge. Sie hat keine Bewegungseinschränkung, spielt aber auch Rollstuhlbasketball beim BBC Münsterland. So hat sich das Paar kennengelernt. Ihre Schwester und sein Bruder sind ebenfalls im Verein. 

Dass die Lammerings über riesiges Talent verfügen, sei immer deutlich zu sehen gewesen, sagt Tuva: »Mir war immer klar, dass Julian irgendwann in die Nationalmannschaft kommt.« Und Maximilian folgt den Spuren seines Bruders – ins Bundesligateam und in die U-23-Nationalmannschaft ist der 16-Jährige bereits aufgestiegen. Als Nächstes will der Ältere den Sprung zu den Paralympischen Spielen vormachen. Paris 2024 ist sein großes Ziel. Er sagt: »Wenn man es zu den Paralympics geschafft hat, hat man alles geschafft.«

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Text Susanne Rohlfing
Fotos Katharina Kemme

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Sicher starten in die neue Motorradsaison

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Sobald die Temperaturen steigen, zieht es Motorradfahrer:innen wieder auf die Straße. Doch schon unmittelbar nach dem Start der Fahrsaison steigt die Zahl der Unfälle – jährlich verunglücken etwa 26.000 Motorradfahrer:innen in Deutschland. Wir geben Tipps, wie Motorradfans möglichst sicher unterwegs sind.

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Vorbereitung ist alles

Die Saison ist bereits in vollem Gange. Aber einfach aufs Motorrad steigen und drauflosfahren, sobald es das Wetter hergibt? Das wäre nicht ratsam: Erfahrungsgemäß passieren bis März bereits zehn Prozent der Unfälle eines ganzen Jahres. Im April steigt die Zahl dann noch mal gewaltig an. Um sicher und unfallfrei durch die Saison zu kommen, braucht es vor allem eine gute Vorbereitung. 

Nach längerer Standpause muss das Material gepflegt und in Schuss gebracht werden. Motorräder werden häufig länger genutzt als Autos und sind daher im Durchschnitt deutlich älter. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, den Zustand der Maschine genau zu prüfen. Besonderes Augenmerk bei der Ausrüstung gilt dem Helm. Dieser sollte kein verkratztes Visier haben und nicht schon früher bei einem Unfall beschädigt worden sein. 

Neben dem Material sollten sich aber auch die Fahrer:innen selbst testen. Viele überschätzen nach der langen Fahrpause ihre Fitness. Sport, der die Ausdauer und Schnelligkeit trainiert, wäre ideal. Und das schon weit vor der Saison. Ein Fahrsicherheitstraining kann darüber hinaus zur Auffrischung und Verbesserung der fahrtechnischen Fähigkeiten dienen.

Augen auf (die Straße) bei Gruppenfahrten

Die Daten der Allianz zeigen: Motorradfahrer:innen machen jedes Jahr die gleichen Fehler. Viele Biker passen vor allem ihre Geschwindigkeit nicht an. Zahlreiche Unfälle passieren insbesondere bei Gruppenfahrten. Die Konzentration liegt dabei häufig auf den Mitfahrer:innen statt auf der Straße. So kommt es zu Ablenkungen, und Abstände werden nicht eingehalten. Nicht nur innerhalb der Gruppe, sondern auch gegenüber Dritten. 

Volle Montur – auch im Sommer

Mit der Hochsaison kommt auch die Hitze und mit ihr die Nachlässigkeit. Viele nutzen das Motorrad mal eben für eine kleinere Fahrt, verzichten auf die Schutzkleidung und tragen bei ganz kurzen Strecken sogar nicht mal mehr einen Helm. Das ist enorm gefährlich. Denn durch fehlende Außenkarosserie und Airbags sind Motorradfahrer:innen eben einem höheren Verletzungsrisiko als andere Verkehrsteilnehmer:innen ausgesetzt. Nur durch eine geeignete Funktions- und Schutzkleidung können sich Motorradfahrer:innen vor den Folgen eines Sturzes schützen. Eine volle Montur ist also auch im Sommer Pflicht. 

Mehr Sicherheit durch Assistenzsysteme

Motorradfans lieben vor allem den sportlichen Aspekt des Fahrens und lassen sich nur ungern von Assistenzsystemen unterstützen. Sie sollten den elektronischen Helfern aber unbedingt eine Chance geben. Denn sie erhöhen wirksam die Sicherheit, ohne den Spaß zu verderben. Viele Unfälle passieren beispielsweise in Kurven. Ein Sicherheitssystem, das in der Schräglage greift, ist daher wirklich sinnvoll. 

Motorradhersteller beziehungsweise Zulieferer arbeiten übrigens daran, ihre Bikes mit Assistenzsystemen auszustatten, die ähnlich anspruchsvoll sind wie die eines Autos. So werden etwa gerade radarbasierte Assistenzsysteme für den Fahrstreifenwechsel weiterentwickelt. 

Die eigenen Fähigkeiten nicht überschätzen

Eine gesunde Portion Bescheidenheit, Selbstkritik und Achtsamkeit schadet also auch auf dem Motorrad nicht. Die Statistik zeigt, dass weit mehr als jeder zweite Motorradunfall mit Personenschäden von den Fahrer:innen verursacht wird. Jeder dritte Unfall hat nicht einmal andere Unfallbeteiligte. 

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Text Kyra Wappenschmidt
Foto iStock/MoreISO