19.12.2023

Ab dem ersten Tropfen schädlich

Auf Infoscreens in ganz Deutschland erscheinen derzeit Gesundheitstipps, präsentiert von der Allianz Private Krankenversicherung. 1890 digital nimmt die Ratschläge auf – und vertieft das Wissen in Experteninterviews. Teil 9: Dr. Matthias Riedl spricht über Alkoholkonsum – und »Dinner for One«.

Zur Person

Dr. Matthias Riedl, Jahrgang 1962, ist ärztlicher Direktor am Medicum Hamburg, Europas größtem Zentrum für Ernährung und Diabetes. Er zählt zu den renommiertesten Ernährungsmedizinern Deutschlands, hat die App »myFoodDoctor« entwickelt und mehr als 30 Bücher über gesunde Ernährung geschrieben. Sein jüngstes Werk »Unser Essen – Killer und Heiler« war »Spiegel«-Bestseller.

Im Sketch ist Butler James mit 3,92 Promille intus noch recht gut zu Fuß unterwegs. Welche Folgen hätte diese Menge Alkohol in Wirklichkeit?

Zuerst wirkt der Alkohol enthemmend und angstlösend. Man traut sich mehr zu. Später kommen neurologische Defizite hinzu, die die Bewegungskoordination beeinträchtigen. Und schließlich endet der Rausch im Koma oder schlimmstenfalls in einer Atemdepression, also dem Tod. 3,92 Promille hätten in jedem Fall eine Alkoholvergiftung zufolge und könnten sogar lebensgefährlich sein. 

Was sagt das über James?

Wer mit einem so hohen Alkoholpegel noch einigermaßen sortiert handeln kann, ist an Alkohol gewöhnt – und zwar in schwerster Form. Medizinisch betrachtet ist Butler James also Alkoholiker. 

Alkohol ist gerade im Vergleich zu anderen Drogen sozial akzeptiert und fest in unserem Alltag verankert – vom Anstoßen mit einem Glas Sekt bis hin zum Feierabendbier. Was sagen Sie als Mediziner dazu?

Aus medizinischer Sicht ist das natürlich bedenklich. Alkohol ist ein dosisabhängiges Gift, für das es keine Toleranzgrenze gibt. Es ist also ab dem ersten Tropfen potenziell schädlich. 

Zu den gesundheitlichen Nebenwirkungen von Alkohol gehören unter anderem Herzrhythmusstörungen, die einen Schlaganfall oder Herzinfarkt auslösen können. Alkohol kann aber auch Krebserkrankungen im Rachen- und Magen-Darm-Bereich fördern. Durch den Konsum wird die Schleimhaut geschädigt, und krebsauslösende Bakterien haben es leichter, sich einzunisten. Eine weitere Folge sind außerdem Leberschädigungen.

Insbesondere Schwangere sollten sich der Risiken durch Alkohol bewusst sein. In Deutschland werden jedes Jahr 20.000 alkoholgeschädigte Kinder geboren. Schon ein Glas Alkohol reicht dabei aus, um ein behindertes Kind zur Welt zu bringen. Das Problem: Viele Ärzt:innen und Gynäkolog:innen wissen das gar nicht. 

»Alkohol ist ab dem ersten Tropfen potenziell schädlich.«

Dr. Matthias Riedl

Welche Gefahr von Alkohol wird oft unterschätzt?

Es schockiert mich immer wieder, mit welcher Unbedarftheit Menschen Alkohol trinken. Viele merken gar nicht, dass sie schon längst in eine Abhängigkeit gerutscht sind. Das kann Menschen, die regelmäßig zu viel Alkohol zu sich nehmen, genauso treffen wie jene, die »nur« alle zwei Wochen über den Durst trinken. Bedenklich wird es vor allem dann, wenn jemand Alkohol trinkt, um eine angstlösende Wirkung zu erzielen und damit psychologische Probleme aufarbeitet. 

Und was viele ebenfalls unterschätzen: Ein Gramm Alkohol enthält so viele Kalorien wie Fett und macht somit dick. 

Butler James schaut bei »Dinner for One« zweifelsohne zu tief ins Glas. Aber wie viel Alkohol darf es eigentlich sein?

Man muss nicht total abstinent sein. Das bin ich auch nicht. Wer aber Alkohol trinkt, sollte das bewusst tun. Bei besonderen Anlässen, wie zum Beispiel Geburtstagsfeiern oder an Neujahr, darf es schon mal ein Glas Sekt zum Anstoßen sein. Danach sollte man allerdings auf alkoholfreie Alternativen umsteigen. Die werden heutzutage ja glücklicherweise überall angeboten. 

Für viele gehört »Dinner for One« an Silvester dazu. Für Sie auch? 

Nein. Ich habe »Dinner for One« als Jugendlicher einmal gesehen, und es war schon damals nicht mein Fall. Was ich an dem Sketch aber mag, ist die englische Steifigkeit. Ich bin Fan des englischen Humors, der schwarz und sehr speziell ist. Und Engländer:innen sind bis zuletzt sehr höflich. Das schätze ich an ihnen. 


Text
Kyra Wappenschmidt
Fotos Simon Koy, privat

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