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24.08.2023

»Ich hatte immer vor, noch Französisch zu lernen«

Senta Berger geht selbst mit 82 noch nicht in Rente. Doch auch sie hat das Älterwerden nachdenklich gemacht. Im Interview verrät die Schauspiel-Ikone (»Kir Royal«), wie sehr sich ihr Blick auf das Leben in den letzten Jahren verändert hat, was sie bereut und worauf sie besonders stolz ist

Zur Person

Senta Berger kam 1941 in Wien zur Welt, drehte mit neun ihren ersten Film. Ihre bekanntesten Rollen spielte sie in den TV-Serien »Kir Royal«, »Die schnelle Gerdi« und »Unter Verdacht«, sie wirkte in über 100 Kinoproduktionen mit und war als Sängerin und Synchronsprecherin aktiv. Mit ihrem Mann Michael Verhoeven ist sie seit 1966 verheiratet, sie haben zwei Söhne. Senta Bergers neuer Film »Weißt du noch« kommt am 21. September in die Kinos.

Credit Foto Constantin Film/Mathias Bothor

Senta Berger, in Ihrem neuen Film »Weißt du noch« geht es um ein Paar, das nach über 50 Jahren Ehe versucht, seinen Beziehungsproblemen auf den Grund zu gehen. Viele Situationen erkennt man auch als jüngerer Mensch wieder. Überrascht Sie das? 

Überhaupt nicht. Regisseur Rainer Kaufmann, mein Filmpartner Günther Maria Halmer und ich haben mit einem relativ jungen Team gedreht, und in den Pausen haben wir das ständig gehört: »Das kenne ich von zu Hause, das sagt mein Partner auch immer zu mir.« Es geht in der Geschichte ums Zusammenleben und darum, wie man es gestaltet. Vieles daran gilt für alle Altersgruppen.

Vergessen wir zu schnell, was uns mit den Menschen verbindet, die uns nahe sind?

Sich an früher zu erinnern, das bedeutet auch, ein Bewusstsein dafür zu bewahren, wie man selbst zu dem geworden ist, was man ist. Das bestimmt unsere Gegenwart wie auch unser Verhältnis zu anderen Menschen. Es reicht aber nicht, das Glück und die Probleme im Gedächtnis zu behalten, die man zusammen erlebt hat. Man muss sich darüber austauschen, man darf nicht verstummen.

»Es geht nicht ums Altwerden – es geht ums Altsein. Das sind verschiedene Dinge«

Senta Berger

Das ist zwar ein ernstes Thema, wird im Film aber humorvoll verhandelt. Darf man das?

Wenn es so subtil geschieht wie hier, dann unbedingt. Genau deshalb hat mich das Projekt so interessiert. Der Film erinnert angenehm ans französische Kino, wo im Vergleich zu Deutschland öfter und eleganter Geschichten erzählt werden, die von etwas reiferen Menschen handeln. Es geht hier ja auch nicht ums Altwerden – es geht ums Altsein. Das sind verschiedene Dinge.

Wie meinen Sie das?

Wenn man übers Altwerden nachdenkt, hat man viele Optionen im Blick. Wie man eben so sagt: »Wenn ich alt werde, dann mache ich das und das und das.« Ist man dann wirklich 80, wirkt plötzlich alles so endgültig. Man denkt auf einmal nur noch: »Hoffentlich geht es mir noch eine Weile gut, hoffentlich bleiben mir noch ein paar Jahre.« Die Anschauungen über das Dasein und die Endlichkeit verschieben sich. Das ist nichts Schlimmes. Aber spätestens dann ist es mit der Verklärung des Altwerdens vorbei.

Hatten Sie auch solche Vorsätze und Pläne?

Ich hatte immer vor, noch Französisch zu lernen.

Haben Sie es gemacht?

Nicht wirklich. Mein Mann und ich hatten lange vor, irgendwann im Frühjahr einen Sprachkurs in Nizza zu machen. Aber wir haben es immer wieder verpasst, das finde ich sehr schade. Der Punkt im Alter, an dem alles in Kippen gerät, kommt bei den meisten ja dann, wenn sie krank werden. Dann ist es oft sehr schwer, noch ausreichend Lebensfreude zu empfinden. Mir ist bewusst, wie dankbar ich dafür sein kann, dass ich bislang sehr gut durchs Leben gekommen und von Krankheiten weitgehend verschont geblieben bin.

»Dass Momente flüchtig sind, schöne wie schmerzhafte, lernen wir alle im Lauf der Jahre«

Senta Berger

Wir alle kennen das Gefühl, gute Lebensmomente festhalten zu wollen. Wie groß ist die Gefahr, dadurch die Gegenwart immer weniger zu genießen?

Ich sehe da keine große Gefahr. Dass Momente flüchtig sind, schöne wie schmerzhafte, lernen wir doch alle im Lauf der Jahre. Und es ist auch nichts dabei, ab und zu ein wenig sentimental zu sein und in alten Fotoalben zu blättern. Ich selbst habe als Mutter lange versucht, die Zeit festzuhalten, in der meine Kinder noch um mich waren. Der Gedanke, dass sie ausziehen würden, war unerträglich für mich. Aber ich durfte dann auch lernen, wie gut das rechtzeitige Loslassen war. Heute bin ich stolz darauf, wie schnell sie selbständig wurden. 

2016 spielten Sie dann unter der Regie Ihres Sohnes Simon Verhoeven im Film »Willkommen bei den Hartmanns« mit. Wie war diese Erfahrung?

Ich hatte mich zunächst dagegen gewehrt, weil ich vermeiden wollte, dass es heißt: »Schaut, jetzt besetzt er seine Mutter.« Aber Simon machte mir klar, wie sehr er davon überzeugt war, dass ich genau die Richtige für die Rolle war. Wir fanden schnell einen sehr guten, professionellen Umgangston miteinander. Ich habe ihn leider ein paar Mal durchbrochen, wenn ich ihn mit mütterlicher Sorge fragte: »Willst du nicht eine Jacke überziehen? Und hast du überhaupt schon gefrühstückt?« Das Team hat sich köstlich amüsiert. Der Respekt, mit dem wir zusammengearbeitet haben, sollte zwischen Eltern und Kindern eigentlich selbstverständlich sein.

»Du hast keine Angst vor dem Tod, sondern vor dem Leben«, sagt Ihre Filmfigur an einer Stelle zu ihrem Partner. Kennen Sie das aus eigener Anschauung?

Ja, von meinem Vater. Er fühlte sich als vom Leben Enttäuschter und gestattete sich selten glückliche Momente. Bei schönen Plänen dominierte immer seine Angst, irgendetwas könne schiefgehen. Meine Mutter hielt immer dagegen. Sie lebte von ihrer Begeisterungsfähigkeit und einem unendlichen Optimismus, und zum Glück habe ich diese Grundhaltung von ihr übernommen. Wobei man natürlich zugeben muss, dass wohl in jedem von uns beide Seiten angelegt sind. An einem Morgen steht man auf und ist voller Tatendrang. Am nächsten findet man nur schwer in den Tag und hat dunkle Gedanken.

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Mit Leidenschaft dabei: Senta Berger braucht ihren Beruf nicht, um glücklich zu sein. Aber sie übt ihn noch immer voller Passion aus. Wie hier in einer Szene mit Günther Maria Halmer in »Weißt du noch«

»Ich brauche den Beruf nicht, um glücklich zu sein«

Senta Berger

Sie sind auch noch mit 82 als Schauspielerin und Bühnenkünstlerin bestens beschäftigt. Denken Sie trotzdem manchmal ans Aufhören?

Ich bin bereits dabei, die Aktivitäten langsam zurückzufahren. Unter anderem deshalb habe ich 2019 mit der ZDF-Serie »Unter Verdacht« aufgehört. Ich brauche den Beruf nicht, um glücklich zu sein. Andererseits fühle ich mich wie der sprichwörtliche Fisch im Wasser, wenn ich ihn ausübe, weil ich die Schauspielerei durch und durch kenne und genieße. Sie ist aber auch sehr anstrengend. Ich wähle heute noch sorgfältiger aus, welche Engagements ich annehme und welche nicht. Projekte, bei denen ich meinen Mann länger nicht sehen würde, lehne ich zum Beispiel ab. 

Die heikelste Frage zum Schluss: Wären Sie gern unsterblich?

Meine Gegenfrage: In welchem Alter?

Warum?

Weil ich das nicht generell beantworten kann. Wenn ich in der Mitte meines Lebens das Altern hätte anhalten können, gemeinsam mit jemandem, der auch unsterblich wäre – ja, dann würde ich mir das wünschen.

Text Joachim Hentschel 
Fotos Mathias Bothor, Majestic/Jürgen Olczyk

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