30.06.2023

»Nicht zu viel sitzen«

Mehr als 60 Prozent der Deutschen leiden unter Schmerzen im Rücken. Auch viele junge Menschen sind betroffen. Teil 4: Allgemeinmediziner Malik Böttcher erklärt, was hilft – von Fango bis Yoga

Zur Person

Malik Böttcher ist Facharzt für Allgemeinmedizin und Diabetologe in Berlin. In seiner Praxis im Stadtteil Schöneberg betreut er gemeinsam mit zwei weiteren Ärztinnen eine breit gefächerte Patientenschaft: Menschen vieler Nationalitäten und Altersstufen, mit akuten oder chronischen Krankheiten, mit Diabetes, psychischen Beschwerden, Suchtproblemen, Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankungen.

Herr Böttcher, wie oft hören Sie in Ihrer Praxis das berühmte »Ich hab’ Rücken«?
Das höre ich tatsächlich jeden Tag mehrmals, auch von meinen Mitarbeitenden.

In 90 Prozent der Fälle basieren Rückenschmerzen auf verspannten Muskeln oder blockierten Gelenken. Was hilft?
Auf jeden Fall hilft Bewegung, und sei es durch Physiotherapie oder manuelle Therapie. Liegt man mit einem Hexenschuss im Bett, sollte man das Knie im rechten Winkel lagern – die sogenannte Stufenbettlagerung. Auch Wärme tut gut, wie Fangopackungen. Oral eingenommene Tropfen oder Tabletten helfen meiner Erfahrung nach eher als Präparate, die auf die Haut aufgetragen werden.

Was raten Sie bei chronischen Rückenschmerzen?
Pauschale Tipps sind da schwierig. Das Feld reicht von milden Fällen bis hin zu Menschen, die nicht mehr am Leben teilnehmen können. Aber: Wenn etwa Tabletten nicht helfen, können wir Opiatpflaster einsetzen. Ich erlebe oft, dass Patienten Angst haben, nie mehr schmerzfrei zu werden. Gerade wenn man zum ersten Mal im Leben mit Rückenschmerzen zu tun hat, kann das sehr erschreckend sein. Ich rate, Geduld zu haben. Meist ist die Situation ein paar Monate später wieder besser.

Frauen sind von allen Schmerzarten häufiger betroffen als Männer. Warum?
Ich glaube, dass viele Frauen achtsamer sind und sich schneller ärztliche Hilfe holen. Männer ignorieren oft körperliche Veränderungen. Wenn es hier Probleme gibt, dann neigen manche Männer dazu, das zu verstecken. Ein Patient, der plötzlich inkontinent war, kam aus falscher Scham erst nach acht Wochen zu mir. Er hatte einen Bandscheibenvorfall erlitten, der direkt hätte operiert werden müssen. Falsch verstandene männliche Tapferkeit kann gefährlich sein!

»Eine echte Geheimwaffe sind lange Spaziergänge.«

Malik Böttcher

Was sind Tipps für einen gesunden Rücken, die sich schnell und einfach umsetzen lassen?
Entscheidend ist die Beweglichkeit der Haltemuskulatur. Sportarten wie Yoga sind sinnvoller als Krafttraining. Und: Nicht zu viel sitzen! Im Lauf des Tages immer wieder aufstehen oder die Sitzposition ändern. Eine echte Geheimwaffe sind aber lange Spaziergänge. Die sind nicht nur gut für den Rücken, sondern auch fürs Herz-Kreislaufsystem und die Psyche – ein echter Allrounder.


Text
Simone Dyllick-Brenzinger
Foto Simon Koy, privat

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