Junge Frau sitzt in einem Feld und beißt in einen ApfelJunge Frau sitzt in einem Feld und beißt in einen Apfel

01.03.2022

Fit durch Verzicht: »Auch die Seele soll fasten«

Mit dem Aschermittwoch beginnt jährlich die christliche Fastenzeit. Viele Menschen verzichten jetzt auf Fleisch, Süßes oder Alkohol. Wer sich fürs Heilfasten entscheidet, muss besonders gut planen. Was es dabei zu beachten gibt, erklärt Betriebsärztin Ulrike Achleitner

Zur Person

Ulrike Achleitner ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin

Ulrike Achleitner ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin und seit Oktober 2020 bei der Allianz als Betriebsärztin in Schwabing und Unterföhring tätig.

Autorin blickt vom Berg hinunter ins Tal

Frau Achleitner, haben Sie selbst schon einmal gefastet?

Ja, ich mache das immer mal wieder. Dabei muss man sich aber bewusst sein, warum und wie man fasten möchte. Ich versuche zum Beispiel öfter längere Essenspausen einzulegen, im Sinne von Intervallfasten. Heilfasten habe ich vor Jahren einmal ausprobiert, aber gemerkt, dass das für mich keine Option darstellt.

»Heilfasten ist die bekannteste Fastenart«

Ulrike Achleitner, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin

Was genau ist Heilfasten?

Das Heilfasten nach Otto Buchinger oder F. X. Mayr ist wahrscheinlich die bekannteste Fastenart. Dabei verzichtet man knapp zwei Wochen freiwillig auf feste Nahrung, um Körper, Geist und Seele zu reinigen.

Was muss ich dabei beachten?

Am besten holen Sie sich zunächst ärztlichen Rat oder lesen sich vorher ein. Das Heilfasten dauert mit Entlastungs- und Aufbautagen 10 bis 14 Tage. An den Entlastungstagen verzichten Sie auf fettreiche Fleischmahlzeiten und reduzieren Ihre Kalorienzufuhr auf etwa 1000 Kalorien. Koffein, Alkohol, Nikotin und Süßes sind tabu. Dann erfolgt eine Darmreinigung mit Glaubersalz, bevor Sie circa sieben Tage lang nur noch Gemüsebrühe, Obst- und Gemüsesäfte, viel Kräutertee und Wasser zu sich nehmen.

Wie geht es weiter?

Zuerst kommt das Fastenbrechen: Das Erste, was Sie zu sich nehmen, ist der berühmte Apfel. Den essen Sie ganz bewusst und in Ruhe. Dann gewöhnen Sie sich langsam wieder an feste Nahrung. Am ersten Tag dürfen Sie ungefähr 800 Kalorien essen, dann von 1000 Kalorien auf 1200 bis hin zu 1600 Kalorien steigern. Wählen Sie leicht verdauliche Kost wie Kartoffelsuppe oder gedünstetes Gemüse.

Muss ich meine Pläne vorher mit meinem Arzt besprechen? 

Das kommt drauf an. Menschen, die beispielsweise Medikamente gegen Bluthochdruck oder Diabetes nehmen, müssen definitiv vorher mit ihrem Arzt sprechen. Wahrscheinlich muss die Medikamentendosis angepasst werden, sonst könnten die Werte in den Keller gehen und das wäre gefährlich. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion oder bei Gichtanfällen ist es auch ratsam, vorher den Arzt zu konsultieren. 

Wer sollte ganz aufs Fasten verzichten?

Kinder, Jugendliche, Stillende, Schwangere und Menschen mit Essstörungen sollten gar nicht fasten. 

Was bringt es mir, zu fasten?

Die Forschung zeigt, dass es bei rheumatoiden Erkrankungen zu einer Verbesserung der Symptome und der Beschwerden kommen kann, dass der Blutdruck runtergeht und sich chronische Schmerzzustände verbessern. Super ist es, wenn nach der Kur eine Veränderung im Essverhalten eintritt. Denn Fasten ist vor allem dafür gedacht, den Resetknopf zu drücken und danach bewusster mit Lebensmitteln umzugehen.

»Auch die Seele soll fasten«

Was ist mit dem seelischen Wohlbefinden?

Es geht tatsächlich nicht nur um Ernährung und Körper, auch die Seele soll fasten. Wenn die ersten zwei, drei schwierigen Tage überwunden sind, dann reden viele Fastende von einem sogenannten Hoch. Sie haben mehr Energie und bessere Laune.

Können auch Nebenwirkungen auftreten?

Es kann zu Kopfschmerzen oder Muskelkrämpfen kommen und Migräne kann sich erstmal verschlechtern. Bei einem zu niedrigen Pegel von Elektrolyten kann es auch zu Herzrhythmusstörungen kommen. Deswegen sollte jeder auf seinen Körper und dessen Signale hören. Wenn es Ihnen nicht gut geht, brechen Sie die Kur lieber ab.

Wie können Fasten und Arbeitsalltag miteinander vereinbart werden?

Nicht jeder ist während einer Fastenkur voll leistungsfähig. Für manche Menschen ist es besser, ein paar Tage freizunehmen oder sogar in eine Fastenklinik mit ärztlicher Unterstützung zu gehen. Wenn sich das nicht realisieren lässt, empfehle ich, donnerstags oder freitags mit dem Fasten zu beginnen, damit die zwei schwierigsten Tage auf das Wochenende fallen. Wenn die ersten Tage überwunden sind, berichten viele, dass sie sich sogar besonders gut konzentrieren können.

Kann ich Sport machen oder körperlich arbeiten?

Von beidem würde ich abraten. Zwar ist Bewegung Teil der Heilfastenkur, aber sie sollte auf Spaziergänge an der frischen Luft, Yoga und Dehnübungen beschränkt werden. Versuchen Sie, zur Ruhe zu kommen und sich auf sich selbst zu besinnen, zum Beispiel mit Meditation.

Interview  Chelsea Walpert
Foto            iStock/StefaNikolic

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