12.04.2021

Tour vermasselt: Wie Diebe im Lockdown leiden

Im April wird die Kriminalstatistik 2020 veröffentlicht. Das Ergebnis: Es war kein gutes Jahr für Einbrecher. Bei den meisten Menschen hält sich das Mitleid zu Recht in Grenzen. So auch bei Silke Woelke vom LKA Berlin. Im Interview erklärt die Erste Kriminalhauptkommissarin, wie Diebe die Corona-Zeit verbrachten – und wie wir uns vor ihnen schützen können.

Zur Person

Name: Silke Woelke
Beruf: Polizistin
Position: seit 2017 Erste Kriminalhauptkommissarin
Dienstjahre: 35 (Ausbildungsbeginn 1985)
Aufgabe: Leiterin der Technischen Prävention des LKA Berlin, die für Einbruchschutz zuständig ist: »Wir schauen uns bei Bürgern, Gewerbetreibenden und Behörden vorhandene Sicherungsmaßnahmen an und sprechen dann Empfehlungen aus.«

Frau Woelke, wie viele Schlösser haben Sie bei sich an der Haustür? Ich habe nur eins, dazu aber noch drei anständige Riegel, die mit einer sicheren Schließtechnik aufgeschlossen werden.

Wurde schon einmal bei Ihnen eingebrochen? In meinem ganzen Leben zweimal. Damals waren meine Fenster im Erdgeschoss und die Terrassentür nicht ausreichend gesichert. 

Im April wird die Polizeiliche Kriminalstatistik 2020 veröffentlicht. Können Sie uns schon vorab verraten, wie sich die Einbruchssituation entwickelt hat? Es gab sehr viel weniger Wohnraumeinbrüche als in den Jahren zuvor. Im ersten Lockdown von März bis Mai 2020 sind die Zahlen sogar drastisch gesunken: bis zu 45 Prozent bei Mehrfamilienhäusern und sogar 63 Prozent bei Einfamilienhäusern.

»Während des ersten Lockdowns gab es 63 Prozent weniger Einbrüche bei Einfamilienhäusern«

Silke Woelke, Erste Kriminalhauptkomissarin des LKA Berlin

Das Homeoffice verdirbt Einbrechern und Dieben das Geschäft? Ja, wenn viele Menschen zu Hause sind, reduzieren sich die Gelegenheiten, einzubrechen. Denn Einbrecher suchen in der Regel nicht den Kontakt zu den Bewohnern, sondern kommen zu Zeiten, in denen niemand zu Hause ist. Diese Zeiten haben sich deutlich verringert, womit auch die Zahl der Einbrüche zurückgegangen ist.

Das gilt vor allem für Wohnräume – haben sich die Delikte in andere Bereiche des Hauses verlagert? Wir können einen Anstieg der Einbruchszahlen in Keller und Dachböden feststellen.

Wie verhielt es sich bei Büros oder Lagerräumen? Die standen 2020 ja häufiger leer. Trotzdem können wir auch bei Einbrüchen in Diensträume, Büros, Fabriken, Werkstätten und Lagerräume einen Rückgang von 5,5 Prozent auf das ganze Jahr gesehen verzeichnen. Während des ersten Lockdowns waren es sogar minus 20 Prozent. Ähnlich sieht es bei Einbrüchen in Gaststätten, Kantinen, Hotels und Pensionen aus: Dort verringerten sich die Einbruchzahlen um 9 Prozent im gesamten Jahr und um 30 Prozent im Lockdown.

Klingt nach einem Katastrophenjahr für Einbrecher. Sollten sie Corona-Hilfen beantragen? (lacht) Wenn Einbrecher kein Einkommen mehr haben, haben Sie auch die Möglichkeit, Hartz IV zu beantragen oder sich im besten Fall eine vernünftige Arbeit zu suchen. Die Frage ist nur, wie sie nachweisen wollen, was sie in den Jahren vorher getan haben. 

»Betrugstaten sind deutlich angestiegen – unter anderem mit gefälschten Impfdosen«

Silke Woelke

Jetzt mal ganz im Ernst: Der Rückgang von Einbrüchen ist natürlich eine großartige Nachricht. Aber sind Kriminelle 2020 vielleicht auf andere Maschen ausgewichen? Betrugstaten sind deutlich angestiegen. Dazu zählen Anrufe von Menschen, die sich als Corona-Erkrankte ausgeben und Geld für die lebensrettende Spritze oder Ähnliches verlangen. Oder für gefälschte Impfdosen und gefälschte Medikamente.

Es gab weniger Einbrüche – aber hatten Diebe es durch die Maskenpflicht leichter, einen Tatort unerkannt zu verlassen? Nein, denn die wenigsten privaten Haushalte haben ein Videoüberwachungssystem, sodass wir ohnehin selten die Möglichkeit haben, Täter anhand des äußeren Erscheinungsbildes zu identifizieren. Stattdessen nehmen wir DNA-Proben, um sie mit unserer Datenbank abzugleichen und möglicherweise Serientätern auf die Spur zu kommen. Hier kann die Maske sicherlich verhindern, dass Speichel verteilt wird, aber der Körper sondert noch andere DNA-Spuren ab. Die Maske hat also keinen nennenswerten Vorteil.

Wie verschaffen sich Einbrecher am häufigsten Zutritt zum Wohnraum? Bei Mehrfamilienhäusern normalerweise über die Wohnungstür. Wenn die Wohnung im Erdgeschoss gelegen ist, auch über die Fenster. Bei Einfamilienhäusern erfolgt das Eindringen sehr häufig über Terrassentüren und rückwärtige Fenster, die in den meisten Fällen aufgehebelt werden – Einschlagen passiert seltener.

Funktioniert der EC-Karten-Trick zum Öffnen von Türen? Leider funktioniert der sogar sehr gut. Die eindeutige polizeiliche Empfehlung ist daher, die Wohnungstür bei Verlassen immer zu verschließen – am besten zweimal, wenn es das Schloss zulässt.

In normalen Jahren ohne Pandemie haben Einbrecher von November bis Februar Hochkonjunktur. Wie schütze ich mich in der dunklen Jahreszeit? Sowohl die Eingangstür als auch für Täter erreichbare Fenster sollten mechanisch gesichert sein, sodass ein Aufhebeln nicht ohne Weiteres möglich ist. Denn der Standard-Einbrecher lässt sich nur wenige Minuten Zeit, bevor er seinen Versuch abbricht. Außerdem sollte die Wohnung den Eindruck vermitteln, dass Personen zu Hause sind. Das kann ich mit einer unregelmäßig programmierten Zeitschaltuhr oder einem Radio simulieren.

»Die Haupteinbruchszeiten liegen tagsüber, weil die Menschen da nicht zu Hause sind«

Silke Woelke

Mal abgesehen von 2020, wurde immer häufiger auch zur hellen Tageszeit eingebrochen. Richtig, das ist eine Erkenntnis, die wir seit vielen Jahren haben. Die Haupteinbruchszeiten liegen tagsüber, weil die Menschen da nicht zu Hause sind, sondern bei der Arbeit. Insofern ist die dunkle Jahreszeit für Einbrecher besonders attraktiv, weil es dann schon tagsüber dunkel ist und die Bewohner trotzdem nicht daheim sind. Das bietet für Täter optimale Voraussetzungen.

Was macht das mit Menschen, wenn jemand in die eigenen vier Wände gelangt ist? Häufig haben Betroffene ein lang andauerndes Unwohlsein zu Hause. Das Gefühl, dass jemand Fremdes in der Wohnung war, in allen Schubladen nachgesehen und in der Wäsche gewühlt hat, sorgt bei sehr vielen Menschen für eine starke Verunsicherung. Manche sind tatsächlich so beeinträchtigt, dass sie sogar umziehen müssen. Sollte eine hohe seelische Belastung vorliegen, kann ich nur dazu raten, psychologische Beratungsstellen aufzusuchen.

Sie sagten, dass auch bei Ihnen schon zweimal eingebrochen wurde: Hat Sie das damals mitgenommen, oder waren Sie als Profi abgebrüht? Beim ersten Mal war ich sehr überrascht. Scheinbar hatten wir den Täter auf frischer Tat ertappt, sodass er geflohen ist. Glücklicherweise wurde deshalb kaum etwas durchsucht und gestohlen. Beim zweiten Mal wusste ich vorher, dass die Sicherungen an meinen Fenstern und der Terrassentür keinen ausreichenden Widerstand bieten, habe aber auf die vermeintliche Sicherheit in meinem kleinen Wohnort gesetzt. Ich war mehr darüber bestürzt, dass das Geldgeschenk meiner Tochter zu Weihnachten und ihr Erspartes gestohlen wurden als über die Tatsache, dass sämtliche Behältnisse durchwühlt worden sind. Trotz allem lebe ich weiterhin sehr gut in meinem Zuhause, habe nach dem Einbruch aber meine Türen und Fenster ausreichend gesichert. 

Weitere Informationen zum Thema Einbruchsschutz und zu Präventionsmaßnahmen der Polizei Berlin finden Sie hier.


Text 
              Chelsea Walpert
Illustration  Michael Meier
Foto               privat, iStock-Viorika

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