11.02.2021

Ein Blick in die Glaskugel: Was bringt 2021?

2021 kann im Vergleich zum Vorjahr eigentlich nur besser werden. Doch wird sich die Wirtschaft erholen? Endet die Pandemie? Was tut sich beim Klimaschutz, und bleibt uns das Homeoffice erhalten? Sechs Experten werfen einen Blick in die Zukunft und machen ein bisschen Hoffnung. Denn ihre Vorhersagen sind heiter bis wolkig

Aus Sicht der Wirtschaft

Katharina Utermöhl (38)

Die Volkswirtin ist Senior Economist bei der Allianz SE und unterstützt den Konzern dabei, konjunkturelle Risiken und Chancen einzuschätzen.

»Ab Ostern geht es wieder bergauf«

Katharina Utermöhl, Volkswirtin

Nach dem dramatischen Corona-Schock, den die deutsche Wirtschaft 2020 erlitten hat – mit einem Konjunktureinbruch von annähernd sechs Prozent –, erwarte ich für dieses Jahr eine vorsichtige Erholung von etwa 3,5 Prozent. Corona hat die Wirtschaft in eine Art Stop-and-go-Modus versetzt: Bei steigenden Infektionen gibt es mehr Einschränkungen, bei sinkenden Zahlen Lockerungen. Analog verhält sich die Konjunktur. So gelang der deutschen Wirtschaft nach dem Ende des ersten Lockdowns im Frühjahr eine rasante Aufholjagd, wir sprachen von der Flitterwochen-Phase der Konjunkturerholung. Doch der erneute Lockdown im Schlussquartal hat den Aufschwung ausgebremst. Und da die Restriktionen auch Anfang 2021 anhalten dürften, ist mit einer wirtschaftlichen Auferstehung erst um Ostern zu rechnen.

Die Rückkehr zur ökonomischen Normalität wird vermutlich erst in der zweiten Jahreshälfte erreicht – und zwar unter der Voraussetzung, dass ein Impfstoff flächendeckend so verteilt wird, dass zumindest die Risikogruppen geschützt sind und das Risiko eines erneuten Lockdowns minimiert werden kann. Mit steigender Zuversicht werden Unternehmen und Konsumenten dann wieder stärker investieren und konsumieren. Eine Rückkehr der Wirtschaft zum Vorkrisenniveau wird allerdings bis Anfang 2022 warten müssen.

In Zeiten starker wirtschaftlicher Unsicherheit und hoher Kurzarbeit gibt es nur wenige Neueinstellungen. Auch das wird sich erst in der zweiten Jahreshälfte 2021 ändern. Corona wird auch langfristig tiefe Spuren hinterlassen. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Post-Corona-Welt zeichnen sich damit wie folgt ab: Tiefzinspolitik auf lange Sicht, aktivere Rolle des Staats in Wirtschaftsfragen, sprunghafter Anstieg der Neuverschuldung bei steigenden Vermögenspreisen und eine zunehmend verschwimmende Grenze zwischen Geld- und Fiskalpolitik.

Aus Sicht der Medizin

Dr. Dieter Hoffmann (49)

Der Virologe ist an der TU München normalerweise für Noroviren zuständig. Zurzeit erforscht er auch das Coronavirus.

»Die Masken werden bleiben«

Dr. Dieter Hoffmann, Virologe

Mit Sicherheit wird das Virus in diesem Jahr noch lange ein Thema sein. Derzeit hat erst ein geringer Anteil der Bevölkerung Antikörper gegen das neue Coronavirus. Daher ist zu erwarten, dass in den ersten Monaten 2021 die Zahl der Neuinfektionen weiterhin durch Kontaktbeschränkungen kontrolliert werden muss. Denn wenn es viele Ansteckungen und damit schwere Fälle gibt, müssen strenge Maßnahmen getroffen werden, um unser Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Erst sobald die Neuinfektionen abnehmen, kann man den Alltag der Menschen wieder lockerer gestalten. Ab April werden SARS-CoV-2-Infektionen, analog zu anderen respiratorischen Viren, saisonal abnehmen.

Ende Dezember 2020 wurden die ersten Impfstoffe zugelassen. Zunächst wurden medizinisches Personal und Menschen mit hohem Risiko für schwere Verläufe geimpft. Immungeschwächte und alte Menschen sprechen jedoch weniger gut auf Schutzimpfungen an. Wie Impfungen den Verlauf der SARS-CoV-2-Pandemie beeinflussen werden, ist daher schwer vorherzusagen. Denn es wird vermutlich bis zum Sommer oder länger dauern, bis ein großer Anteil der 83 Millionen in Deutschland lebenden Menschen geimpft ist. Und weil weder nach durchgemachter Infektion noch nach Impfung eine lebenslange Immunität zu erwarten ist, werden die Re-Infektionen in Zukunft häufiger werden. Schutzmaßnahmen wie Mund-Nasen-Bedeckungen werden uns daher auch weiterhin begleiten. Die Behandlung von Menschen mit schweren COVID-19-Verläufen hat sich bereits verbessert, deswegen ist die Sterblichkeit zurückgegangen. Und die Therapiemöglichkeiten werden sich stetig weiterentwickeln.

Wie lange SARS-CoV-2 zirkulieren wird, kann ich allerdings nicht mit Sicherheit sagen. Da es sich genetisch nicht so schnell verändert, wie zum Beispiel Grippeviren, könnte es langfristig sogar ganz verschwinden. Oder nach Anpassung Teil der saisonalen Coronaviren werden und nur noch leichte Symptome verursachen. Jedenfalls erwarte ich, dass diese Pandemie unser Leben über Jahre verändern wird.

Aus Sicht des Umweltschutzes

Jesko Treiber (21)

Der Initiator der Freiburger Fridays-for-Future-Bewegung hat ein Start-up für nachhaltige Mode gegründet.

»Wir brauchen den Druck der Straße«

Jesko Treiber, Klimaaktivist

Weltweit halten sich viel zu wenig Länder an das 1,5-Grad-Ziel – und daher wird die Erderwärmung dieses Jahr weiter steigen. Entscheidend ist dabei der Durchschnitt. Nur, weil es im Winter wieder kälter wird, heißt das nicht, dass die Erwärmung zurückgeht. Extreme Wetterphänomene wie El Niño werden ebenfalls zunehmen, mit schlimmen Dürren als Folge. Trotzdem sollte man meiner Meinung nach nicht die Hoffnung aufgeben. Das bringt uns nämlich nicht weiter. Wenn wir alle in Prävention investieren und uns für Klimaschutz einsetzen, können wir Schlimmeres verhindern. Dabei geht es um sogenannte Kipp-Punkte, wie Wissenschaftler sie nennen: Das sind die Stadien der Klimakrise, ab denen die Katastrophe nicht mehr aufgehalten werden kann. Wenn wir zulassen, dass diese Punkte überschritten werden, würden wir uns als Menschheit aufgeben.

Um die Katastrophe abzuwenden, muss vor Ort in jeder Kommune etwas passieren. Fridays for Future Freiburg hat deshalb 2020 wieder Forderungen an die Kommune Freiburg formuliert. Wir finden, als Green City sollte die Stadt deutlich ambitioniertere Ziele verfolgen. Um im Jahr 2050 klimaneutral zu werden, müssen in Freiburg zum Beispiel pro Jahr etwa zwei Prozent der Gebäude saniert werden. Das hat Freiburg bereits erreicht – aber das geht uns nicht weit genug. Wir fordern, dass die Stadt schon 2035 klimaneutral wird.

Ich hoffe, dass große Demos bald wieder möglich sind. Denn gerade vor der Bundestagswahl brauchen wir den Druck der Straße, damit die Parteien keine andere Wahl mehr haben, als klimafreundliche Politik zu machen. Denn das Problem ist meiner Meinung nach weniger, wie sich der Einzelne verhält, sondern unter welchen Rahmenbedingungen wir leben. Erst wenn zum Beispiel ein veganes, also ressourcenschonenderes Schnitzel im Supermarkt billiger ist als Fleisch, werden die Leute es auch kaufen. Auch Zugreisen müssen günstiger werden. Wenn klimafreundliches Verhalten attraktiv wird, dann ist es auch nicht mehr so ein Konflikt für jeden Einzelnen, sich richtig zu entscheiden.

Aus Sicht der Kultur

Viktor Schoner (46)

Der Intendant der Staatsoper Stuttgart studierte Bratsche an der Hochschule für Musik »Hanns Eisler«.

»Das Publikum bekommt Sehnsucht nach uns«

Viktor Schoner, Opern-Intendant

Ich bin kein Schwarzmaler, und Hysterie ist in diesen Zeiten kein guter Ratgeber. Dennoch mache ich mir Sorgen, dass einige Bereiche der Kultur diese Krise nicht überstehen, zum Beispiel die freischaffenden Künstler. Musiker, Darsteller, Schausteller – sie alle kommen finanziell an ihre Grenzen. Oft haben sie keine andere Wahl, als sich andere Jobs zu suchen: Die Kunst bietet ihnen keine Perspektive. Trotzdem bin ich der Überzeugung, dass unsere Kultur insgesamt gut durch die Krise kommen wird. Woher ich diese Überzeugung nehme? Ganz einfach: Ich beschäftige mich zurzeit mit Texten aus dem 17. Jahrhundert. Zu Lebzeiten von Shakespeare und Monteverdi wütete die Pest. Unsere Kultur hat diese Zeit überlebt – und die aktuelle Krise werden wir auch bewältigen. Weil Künstler im Hier und Jetzt arbeiten, interessiert mich eine Rückkehr zur Normalität ohnehin nicht. Vielmehr wünsche ich mir konstruktiven Fortschritt. Die Opernhäuser und Theater etwa sind nach der Sommerpause sehr kreativ mit der Krise umgegangen, haben vor den Vorstellungen Desinfektionsmittel platziert und die Plätze der Zuschauer so abgesichert, dass das Virus keine Chance hatte. Mir ist im deutschsprachigen Raum kein Fall bekannt, wo sich ein Zuschauer bei einer Kulturveranstaltung infiziert hätte. Weil ein Opernhaus ein kleines Dorf ist – mit Friseuren, Schuhmachern und einer Kantine –, haben wir beispielhaft gezeigt, wie eine Gesellschaft mit dem Virus leben kann, ohne es zu verbreiten.

Das vergangene Jahr war für Kulturhäuser und Zuschauer wie ein Beziehungstest für ein Liebespaar: Ich hoffe, dass unser Publikum jetzt – wie es in einer Fernbeziehung oft der Fall ist – nach der räumlichen Trennung Sehnsucht nach uns bekommt. Einige Kollegen haben Angst, dass die Distanz zum Bruch führt; und etwas zerstört wird, das sie über Jahrzehnte aufgebaut haben. Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass die Menschen sich weiterhin bei uns wohlfühlen. Es ist doch so: Nach einem schönen Abend im Theater oder Kino geht es den Leuten meist besser. Ich glaube nicht, dass eine Gesellschaft ohne diese Erlebnisse auf Dauer gesund bleibt.

Aus Sicht des Sports

Oliver Rau (52)

Der ehemalige Ruderer ist mehrfacher deutscher Meister und trat 1996 bei den Olympischen Spielen in Atlanta auf. Heute ist er Vorstand der Stiftung Deutsche Sporthilfe.

»Wir werden Sport wieder live erleben«

Oliver Rau, Sporthilfe-Vorstand

Die Olympischen Spiele finden im Sommer 2021 mit großer Sicherheit statt. Zumindest Sportler, Trainer und Funktionäre werden nach Japan reisen können. Ob Zuschauer dabei sind, da bin ich allerdings gespannt. Die lockere Atmosphäre, die typisch ist für das Olympische Dorf, die Feiern nach den Wettkämpfen, das alles wird es wohl nicht geben, leider. Noch komplizierter als die Organisation der Spiele selbst ist die Durchführung der Qualifikationswettbewerbe im Vorfeld. Diese Wettkämpfe im Zeichen der Pandemie auf verschiedenen Kontinenten zu organisieren, ist eine große Herausforderung im ersten Halbjahr 2021.

Auch in Deutschland wird die Sportwelt noch nicht wieder die sein, die wir kennen. Das Deutsche Turnfest etwa, das im Mai in Leipzig stattfinden sollte, wurde bereits abgesagt. Wie die Olympischen Spiele wird es nur alle vier Jahre organisiert und hat mehr als 50.000 Teilnehmer. Sowohl Leipzig als auch der Deutsche Turnerbund verlieren dadurch erhebliche Einnahmen. Aber auch kleine Vereine und Hobbysportler leiden: In Deutschland sind circa 27 Millionen Menschen in etwa 90.000 Vereinen Mitglied. Wenn die Vereine weder Training noch Wettkämpfe anbieten können, treten die Menschen aus – auch, weil sie aufgrund der Krise sparen müssen. Für den Profisport befürchte ich, dass sich viele Zuschauer abwenden. Wenn die Fans mehr Zeit zu Hause verbringen als im Stadion, merken sie vielleicht, dass es auch ohne geht.

Ich glaube dennoch, dass es wieder möglich sein wird, den Sport und die Athleten live zu feiern. Aber ob die komplette Unbeschwertheit zurückkommt? Wir sind im Moment sehr sensibilisiert, was Abstände und Distanz angeht. Den Sportlern fehlt der Applaus definitiv. Denn die Anfeuerungen sind auch ein Art von Lohn für sie. Was ihre finanzielle Grundausstattung angeht, konnten wir als Sporthilfe in 2020 ein verlässlicher Partner sein und werden dies, gemeinsam mit unseren Partnern und Unterstützern, auch in Zukunft sein, um unseren Topathleten Planungssicherheit zu geben, Perspektiven zu schaffen und Talente nicht zu verlieren.

Aus Sicht der Arbeitswelt

Dr. Josephine Hofmann (57)

Die Teamleiterin am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation erforscht das Thema Homeoffice seit 15 Jahren.

»Es gibt keine Rückkehr zur alten Normalität«

Dr. Josephine Hofmann, Arbeitswissenschaftlerin

Was wir gerade erleben, ist ein Trainingscamp für die Zukunft. Was die Arbeitswelt angeht, haben wir 2020 innerhalb sehr kurzer Zeit in rasanter Geschwindigkeit umwälzende Veränderungen erlebt. Die Arbeit über Distanz, das ist für mich der Oberbegriff für die neuen Arbeitsformen, hat sich vom Vereinbarkeitsthema zum absoluten Resilienzfaktor in der Krise entwickelt. Daher wartet auch über Corona hinaus eine deutlich hybridere Arbeitswelt auf uns.

Denn die Vorteile mobilen Arbeitens liegen auf der Hand: Neben Krisenresilienz sind das Flexibilität und Vereinbarkeit von Familie und Beruf, weniger Pendlermobilität und mehr Nachhaltigkeit. Arbeitgeber können nun Mitarbeiter für sich gewinnen, die bisher nicht bei ihnen arbeiten wollten, weil sie zum Beispiel nicht umziehen möchten. Homeoffice trägt nachweislich zur Zufriedenheit und Motivation bei. Trotzdem haben wir natürlich alle langsam genug von den ganzen Videokonferenzen! Das schnelle Arbeitstempo ist einerseits befriedigend, aber auch anstrengend. Viele Menschen finden abends den Ausknopf nicht und machen tagsüber keine Pausen. Oder sie sitzen auf ungeeigneten Stühlen und machen sich den Rücken kaputt. Dennoch kommen alle Befragungen zu dem Schluss, dass mobiles Arbeiten viel besser funktioniert, als wir alle geglaubt haben. Da die Pandemie uns noch länger beherrschen wird, sollten die Unternehmen überlegen, wie es für sie weitergeht: Welche Technik und Kompetenzen brauchen sie – und was wollen die Kunden?

Es wird sicher keine Rückkehr zur alten Normalität geben. Dann würden wir ja zurück aus der Zukunft in die Vergangenheit reisen. Ich fände es aber wichtig, dass wir uns auf Dauer mit Kollegen und Vorgesetzten abstimmen, zum Bei-spiel besprechen, wann wir am besten erreichbar sind. Aber wir sind auch für uns selbst verantwortlich. Keiner zwingt uns, mit dem Smartphone ins Bett zu gehen, trotzdem machen das ganz viele Menschen. Vielleicht ist Medienfasten ab und zu angebracht. Ich wünsche mir für die Zukunft eine ausgewogene Mischung zwischen Büro und Homeoffice.

Text          Sandra Michel
Fotos       Camillo Büchelmeier
Porträts  Privat (2), Allianz, Staatsoper Stuttgart/Matthias Baus, Deutsche Sporthilfe/picture alliance, Fraunhofer IAO

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