12.11.2025

Ein Gebirge aus Möglichkeiten

Den Rollstuhl nutzt Anna-Lena Forster auf der Straße, den Monoski auf der Piste. Gemeinsam mit ihm hat sie bereits neun paralympische Medaillen eingefahren. Auch nach den Wettkampfjahren wird die Beziehung lebendig bleiben, wie sie in ihrem »Love Letter« schreibt. 

Die Allianz und ihre Agenturen unterstützen Sportveranstaltungen auf allen Ebenen – vom örtlichen Jugendturnier bis zum Spitzensport – und fördern so Bewegung, Inklusion und Teamgeist. Denn als Versicherer steht die Allianz für Sicherheit, Vorsorge und Gesundheit.

Seit 2021 ist die Allianz deshalb weltweiter Partner der olympischen und paralympischen Bewegungen. Das Engagement läuft bis 2032 und baut auf der seit 2006 bestehenden Zusammenarbeit mit der paralympischen Bewegung auf.

Zur Person

Anna-Lena Forster (Jahrgang 1995) aus Radolfzell zählt zu den erfolgreichsten deutschen Monoski-Athletinnen. Ihren ersten großen Erfolg feierte sie 2013 mit Slalom-Silber bei der WM in La Molina, zuletzt gewann sie bei der WM 2025 in Maribor Gold und Silber. Bekannt ist sie für ihre Hartnäckigkeit – getreu ihrem Motto: »Nichts spornt mich mehr an als die drei Worte: Das geht nicht.«

Mein geliebtes Monoskifahren,

ich sitze in Flammen – mein neuestes Geschenk an dich. Das Design-Team hat sich selbst übertroffen und eine Sitzschale mit Feuerzungen gestaltet, die genau ausdrücken, was ich für dich empfinde. Zwischen uns ist mehr als nur ein Funke übergesprungen. Aber es hat ein bisschen gedauert und meine Eltern haben nachgeholfen. 

Auf einem regionalen Sporttag mit der bekannten Behindertensportlerin Gerda Pamler wurden verschiedene Para-Sportarten vorgestellt. Du warst eine davon. Meine Eltern sind gern Ski gefahren und plötzlich gab es die Erkenntnis: Es geht. Auch mit meiner Behinderung kann es gemeinsame Skiurlaube geben. 

Erinnerst du dich an unsere ersten Treffen? Ich stand mit dir im eisigen Wind, zwischen Weihnachten und Neujahr am Kaunertaler Gletscher, bei bis zu minus 20 Grad. Ich fror, mein Knie tat weh, der Toilettengang war ein kleines Expeditionsprojekt – und manchmal flossen Tränen. Liebe auf den ersten Blick? Nein. Eher eine zarte Ahnung. Ich war sechs Jahre alt. 

Aber dann kamen die kleinen großen Schritte: Anfangs fuhr ein Elternteil hinter mir her, irgendwann nicht mehr. Ich lernte, dich alleine zu führen, und merkte, wie ich mich weiterentwickle. Wir wurden selbstständig – du und ich. In die Sitzschale, die anfangs zu groß war und ausgepolstert werden musste, passte ich mehr und mehr hinein. Mit sechs Jahren belegte ich bei Gerda Pamler den ersten Skikurs. Sie erkannte mein Talent. Mit elf Jahren war ich im Trainingslager des deutschen Nachwuchsteams Para-Ski-Team Alpin. 

Plötzlich spürte ich dieses prickelnde Etwas. Du hast mir Facetten gezeigt, von denen ich vorher nichts wusste: Technik und Takt, Rhythmus und Mut, Geschwindigkeit und Präzision. Du bist keine Monokultur; du bist ein Gebirge aus Möglichkeiten. 

Und es gab noch so ein Schlüsselerlebnis: 2010 saß ich als Zuschauerin in Vancouver im Stadion bei den Paralympics. Ich war 14. Als die Sportlerinnen und Sportler einliefen, wurde mir klar: Dorthin will ich gemeinsam mit dir. Ein Jahr später fuhren wir die ersten Europacups, drei Jahre später standen wir in St. Moritz beim Weltcup am Start. Slalom, erstes Rennen – und gleich aufs Podest mit Bronze. Du hast mir beigebracht, dass Träume eine Richtung haben können. 

Natürlich gab es auch mal Zweifel. In der Oberstufe zum Beispiel, da wurde es eng: Lernen, Trainingslager, Reisen in die Berge, Fehlzeiten. Ich war nie diejenige, der alles zuflog. Ich habe gebüffelt – und mich oft gefragt, ob der Aufwand sich lohnt. Was mich gehalten hat? Wachsendes Selbstvertrauen und du. Du hast mich auch die Kunst gelehrt, durchzuhalten, an etwas dranzubleiben.

Aber du kannst auch eine Nervensäge sein, mein Lieber! Du willst mich frühmorgens auf der Piste sehen, und ich bin eigentlich Langschläferin. Du rufst mich bei Schneefall, Regen, Nebel und Sturm; nur selten sagst du ab. Gefühlt bin ich ständig auf dem Weg zu dir, immer unterwegs, immer dieser Aufwand – und genau das ist vielleicht der schönste Beweis, wie ernst es mir mit dir ist: dass ich immer wieder aufbreche, mich überwinde.

Umso ärgerlicher, wenn wir bereit sind und das Umfeld uns bremst wie zum Beispiel bei der Weltmeisterschaft Anfang des Jahres in Maribor. Weißt du noch? Da gab es so wenig Schnee, dass wir von fünf Disziplinen nur zwei fahren konnten. Es tut mir so leid für dich, dass es im Nichtbehinderten-Sport eine viel größere Auswahl an Orten gibt, die eine Weltmeisterschaft ausrichten möchten.

Aber zurück zu den schönen Dingen: Eine unserer Sternstunden erlebten wir 2018 in Pyeongchang bei den Paralympischen Winterspielen. In der Super-Kombination holten wir unsere erste Goldmedaille. Und unser gemeinsamer Traum lebt weiter: 2026 finden die Paralympics in Cortina statt. Da sind wir wieder auf großer Bühne unterwegs, und Familie und Freunde können leichter dabei sein, weil es nicht so weit weg ist. Ich freue mich auf diese Herausforderung. 

Auch wenn unsere Wettkampfjahre irgendwann enden, wird meine Liebe bleiben. Dann werden wir uns bei Sonnenschein treffen, ohne 8-Uhr-Start, ohne Punktejagd – nur du, ich und der Berg.

In Liebe – heute, morgen und weit über die Ziellinie hinaus!

Deine Anna-Lena

Text Petra Benesch
Bilder Timo Denz; privat

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