05.09.2025

»Habt keine Angst!«

Zur Person

Deeshyra Thomas ist in den USA geboren und spielt seit 2022 Basketball bei Alba Berlin. Nebenbei arbeitet sie als Erzieherin in einer Berliner Kita. Seit der Geburt ihrer Tochter Skye, die mit Down-Syndrom zur Welt kam, setzt sie ihre Sichtbarkeit für Menschen mit Behinderung ein, unter anderem mit ihrer Kampagne »Let’s Get Down«. Thomas wohnt mit ihrer Partnerin Lea und der gemeinsamen Tochter in Berlin.

Deeshyra Thomas ist Profibasketballerin bei Alba Berlin. Seit der Geburt ihrer Tochter mit Down-Syndrom nutzt die Wahlberlinerin und gebürtige US-Amerikanerin ihre Stimme, um sich für mehr Vielfalt und Inklusion einzusetzen.

Deeshyra, Sie sind beim Weltkindertag von Alba Berlin und der Allianz in Berlin am 20. September dabei. Was bedeutet dieser Tag für Sie?
Als jemand, der sehr eng mit Kindern zusammenarbeitet, finde ich, dass ein Tag, der Kindern gewidmet ist, etwas ganz Besonderes ist. Bei unserem Aktionstag in Berlin bieten wir ein Schnuppertraining für Kinder mit und ohne Behinderung an – alle dürfen mitmachen, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihren Fähigkeiten. Ich werde als Trainerin dabei sein. Das ist auch für mich eine großartige Erfahrung.

Erinnern Sie sich an Ihre erste Berührung mit Sport als Kind? Was hat Sie damals daran fasziniert?
Sport ist schon sehr lange Teil meines Lebens. Ich war immer ein sehr aktives Kind, voller Energie, ich musste ständig rennen und mich bewegen. Meine erste Begegnung mit Sport war in der Schule. Dort waren wir in den Pausen draußen und es gab immer Sportmöglichkeiten – zum Beispiel Ballspiele auf dem Feld. Für mich war Sport etwas, bei dem man sich messen konnte und gemeinsam Spaß hatte. Schon damals stand für mich der spielerische Aspekt und das Zusammensein mit Freunden im Vordergrund.

Sport war für Sie also von Anfang an etwas, das man gemeinsam macht – ein soziales Erlebnis?
Genau. Meine Eltern wollten mich wegen meiner Schnelligkeit in die Leichtathletik stecken, als Sprinterin, aber das hat mich nie gepackt. Ich wollte lieber Basketball mit meinen Freunden spielen. Deshalb bin ich beim Teamsport geblieben.

Sie arbeiten neben Ihrer Basketballkarriere in einer Kita und haben gemeinsam mit Ihrer Partnerin Lea Thomas ein Kind mit Down-Syndrom. Wie hat Ihre Tochter Skye Ihre Sicht auf das Thema verändert?
Lea und ich wussten bei der Geburt von Skye nichts von der Diagnose. Und uns wurde klar, wie uninformiert wir über das Down-Syndrom und über die Lebensrealität der Betroffenen waren. Mit unserer Tochter hatten wir plötzlich Einblick in die Art und Weise, wie Menschen mit Behinderung gesehen werden. Das hat in mir den Wunsch geweckt, das Narrativ zu ändern und Aufklärung zu leisten. Ich möchte meine Plattform dafür nutzen, für Menschen zu sprechen, die selbst weniger gehört werden.

»Unsere Tochter kann so vieles – vielleicht auf ihre eigene Art, aber sie kann es«

Deeshyra Thomas, Basketballerin

Was ist das Down-Syndrom?

Das Down-Syndrom (oder auch »Trisomie 21«) ist eine genetisch bedingte Veranlagung, bei der das Chromosom 21 dreifach statt doppelt im Erbgut vorliegt. Menschen mit Down-Syndrom sind körperlich und geistig beeinträchtigt und haben ein höheres Risiko für bestimmte Krankheiten – etwa Herzfehler oder Autoimmunerkrankungen. In Deutschland leben schätzungsweise etwa 50.000 Menschen mit dieser genetischen Besonderheit.

Wo sehen Sie die größten Hürden?
Wir sehen jetzt erst die vielen Ungleichheiten, die es noch gibt – bezüglich der Unterstützung und der Ressourcen, die in der Kita zur Verfügung stehen, aber auch später, wenn es etwa um Chancen auf dem Arbeitsmarkt geht. Dabei fehlt es primär an Informationen und Aufklärung. Leider gibt es immer noch viel Diskriminierung und viele hartnäckige Stereotype über Behinderungen wie das Down-Syndrom. Ich möchte mit Skye zeigen: Das muss nicht so sein. Unsere Tochter kann so vieles – vielleicht auf ihre eigene Art, aber sie kann es. Wir müssen ihr nur die Chance dazu geben.

Wie erklären Sie sich, dass Deutschland beim Thema Inklusion noch so hinterherhinkt?
Ein Punkt ist sicher der nicht-invasive Pränataltest, der Hinweise auf genetische Fehlbildungen geben kann. In Deutschland wird er kostenlos angeboten und Ärztinnen und Ärzte raten oft dazu. Die Statistiken zeigen: Neun von zehn Schwangerschaften mit positivem Ergebnis werden abgebrochen. Dadurch werden weniger Kinder mit Down-Syndrom geboren. Das führt wiederum dazu, dass die Behinderung weniger sichtbar ist und es weniger Aufklärung gibt. So können sich Vorurteile halten. Politische Programme oder Quoten bei Jobs gehen oft nicht über ein Mindestmaß hinaus: Man gibt sich inklusiv, aber es fehlt an Bereitschaft, diese Menschen wirklich zu unterstützen und ihnen dabei zu helfen, unabhängig zu werden und sie in die Gemeinschaft zu integrieren.

»Im Sport erfahren Kinder unmittelbar, was es heißt, dass Menschen unterschiedlich sind«

Deeshyra Thomas

Warum ist es wichtig, dass Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam Sport machen?
Kinder sind unvoreingenommen und können alles lernen. Wenn sie schon früh erleben, dass Menschen unterschiedlich sind, und dass das in Ordnung ist, prägt das ihr Weltbild. Dann ist es später nicht mehr neu oder befremdlich, wie es vielleicht sein kann, wenn sie mit 25 zum ersten Mal mit jemandem mit einer Behinderung zusammenarbeiten. Im Sport können Kinder unmittelbar erfahren, was es heißt, dass wir Menschen verschieden sind, und dass wir uns dabei gegenseitig respektieren.

Sport spielt also eine wichtige Rolle für Selbstbewusstsein und Gemeinschaftsgefühl?
Absolut. Sport bringt Menschen zusammen, man findet Freunde und hat gemeinsam Spaß – und konzentriert sich nicht so sehr darauf, was man kann oder nicht kann. Dadurch entsteht viel einfacher ein Gefühl der Verbundenheit und Zugehörigkeit als beispielsweise in der Schule oder in der Arbeitswelt.

Welche Rolle spielen Partner wie die Allianz dabei, das Thema voranzutreiben?
Ich freue mich sehr, dass die Allianz als eine der bekanntesten Marken weltweit, uns bei dem wichtigen Thema unterstützt. Inklusion lebt von Sichtbarkeit und einer starken Stimme. Gemeinsam mit der Allianz und einem großen Club wie Alba Berlin können wir mehr Menschen auf die Bedeutung von Inklusion aufmerksam machen und zeigen, welche tollen Programme möglich sind, wenn der Wille da ist. So werden vielleicht auch andere Unternehmen motiviert, ebenfalls aktiv zu werden. Das ist der erste Schritt auf dem Weg zu einer echten Inklusion.  

Sie haben auch Ihr eigenes Projekt »Let’s Get Down« gestartet. Was hat es damit auf sich?
Als unsere Tochter geboren wurde, haben wir die vielen Vorurteile gesehen, die es immer noch über das Down-Syndrom gibt. Die wollte ich aufbrechen, also habe ich jeden Tag etwas gepostet – ein Jahr lang –, und dem Ganzen den Titel »Let’s Get Down« gegeben. Das Wortspiel soll zeigen: »Down« muss nichts Negatives heißen. Vielmehr soll der Claim animierend klingen, und er soll Freude und Lust auf Bewegung vermitteln. Mit den Posts wollen wir demonstrieren: Am Anfang steht die Diagnose, aber die vergisst man mit der Zeit. Wir wollen Skye die Chance geben, der Welt zu zeigen, wer sie ist – ganz unabhängig davon. Das Feedback war überwältigend. Viele Menschen haben uns gesagt, dass die Posts sie sehr berühren und dass sie ihre Sichtweise darüber, was es bedeutet, ein Kind mit Down-Syndrom zu haben, verändert haben.

»Für mich bedeutet Inklusion, dass alle das Gefühl haben, einen Platz zu haben«

Deeshyra Thomas

Und daraus ist dann eine eigene Spendenkampagne geworden?
Genau. Wir haben zum Beispiel ein Benefiz-Basketballspiel organisiert und verkaufen T-Shirts, auf denen meine Rückennummer, die 21, zu sehen ist. Die habe ich letztes Jahr geändert, um mehr Aufmerksamkeit auf das Down-Syndrom zu lenken. Der Erlös geht an »Down Syndrome Berlin« und das »Pastor-Braune-Haus«. Meine Tochter hat mich letztlich dazu inspiriert, Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten auf positive Weise ins Rampenlicht zu rücken. Und es erfüllt mich mit Freude, zu sehen, wie viele Menschen Teil der Bewegung sein wollen und bereit sind, uns dabei zu unterstützen.

Was bedeutet Inklusion für Sie?
Für mich bedeutet Inklusion, dass alle das Gefühl haben, einen Platz zu haben und dazugehören. Ich war schon immer jemand, der darauf bedacht war, Menschen zusammenzubringen und mich um diejenigen zu kümmern, die am Rand stehen. Und auch tatsächlich aktiv dafür zu sorgen, dass es Räume gibt, die für alle offen und zugänglich sind – und dass Teilhabe nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt.

Welche Botschaft wollen Sie Eltern oder Vereinen mitgeben?
Den Eltern möchte ich sagen: Habt keine Angst, euch für euer Kind einzusetzen und hartnäckig zu bleiben – etwa, damit es in einem Verein aufgenommen wird. Fragt nach, erklärt und hört zu, um zu verstehen. Den Vereinen: Habt keine Angst, Fehler zu machen. Ihr könnt nichts falsch machen, aber ihr könnt mit den Erfahrungen wachsen und lernen. Das Wichtigste sind Offenheit, Neugierde und Verständnis.

Was ist Ihre Vision, wie die Welt in zehn Jahren aussehen soll?
Ich wünsche mir, dass Inklusion selbstverständlich wird und dass im Sport Platz für alle Kinder ist – und dass man nicht mehr recherchieren muss, welche Organisationen und Vereine offen für alle sind. Ich wünsche mir, dass Kindern nichts im Weg steht, wenn sie etwas erreichen oder ausprobieren möchten. Und dass alle Kinder mit Behinderung die Chance haben, selbst zu entscheiden, wo sie sich am wohlsten fühlen.

Text Katharina Köck
Fotos Florian Ullbrich

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