27.08.2025

Auszeit: Alles außer Alltag

Was passiert, wenn man sich wirklich Zeit nimmt? Für sich selbst, fürs Reisen, fürs Loslassen? Zwei Frauen haben genau das getan: die eine zwischen Abi und Studium, die andere mitten im Berufsleben. Was sie verbindet: Mut, Neugier – und die Erkenntnis, dass man bei aller Abenteuerlust auch an Absicherung denken sollte.

Gap Year: Abenteuer Backpacking

Zur Person

Sophia Popp hat Politikwissenschaft sowie Friedens- und Konfliktforschung studiert. Nach ihrem Abitur reiste sie fünf Monate durch Neuseeland und Südostasien. Heute arbeitet sie im Projektmanagement bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Statt direkt zu studieren, arbeitete Sophia Popp ein halbes Jahr lang in München, um sich dann einen lang gehegten Traum zu erfüllen: Fünf Monate unterwegs, ganz ohne Verpflichtungen, aber mit einem Rucksack, zwei Kreditkarten und ganz viel Abenteuerlust. Ihre Reise führte sie nach Neuseeland und durch Südostasien, von dampfenden Kraterseen über romantisches Farmleben mit Pferden bis hin zu buddhistischen Tempeln fernab der Touristenrouten. Heute weiß sie: Man braucht weniger, als man denkt – und kann sich mehr zutrauen, als man glaubt.

Rollendes Zuhause: Das Auto haben Sophia Popp und ihre Freundin in Neuseeland anderen Backpackern abgekauft
Was waren drei Highlights deiner Auszeit?

Der Vulkan Tongariro in Neuseeland

»Die Wanderung war anstrengend. Der Weg bestand nur aus Schotter und ich hatte definitiv zu wenig Kondition für den Aufstieg. Aber als ich am Rand des Kraters stand und den Ausblick genießen konnte, war alles vergessen. In der Ferne lagen türkisgrüne Kraterseen, gefärbt von Schwefel und anderen Mineralien – eine Landschaft wie aus einer anderen Welt. Kein Wunder, dass hier ›Herr der Ringe‹ gedreht wurde. Ich hatte das Gefühl, mitten in Mordor zu stehen.«

Ruhe auf einer Aussteigerfarm

»Ein paar Tage lebten wir auf einer abgelegenen Farm im Norden Neuseelands, die von jungen Aussteigerinnen und Aussteigern geführt wurde. Hier gab es Pferde, eine kleine Motocross-Strecke und ganz viel Weite. Wir ritten zusammen aus, fütterten die Tiere und saßen abends unter freiem Himmel. Dieser traumhafte Ort hieß schlicht ›The Farm‹. Für mich ist er ein Sehnsuchtsort.«

Ein stiller Tempel in Myanmar

»Myanmar war eine echte Herausforderung: kaum Touristen, wenig Infrastruktur. Ich war viel allein unterwegs und fuhr mit einem privaten Motorradtaxi zu einem entlegenen Tempel. Ein beeindruckender Moment. Ich saß ganz allein da, nur eine Katze leistete mir Gesellschaft. Ich konnte die Spiritualität dieses Ortes förmlich spüren. Kein Lärm, keine Hektik. Nur ich, der warme Steinboden und ein Gefühl von Frieden, das ich nie vergessen werde.«

Nenne drei Dinge, ohne die es auf deiner Reise nicht ging

Eine Reiseapotheke
»In Myanmar hatte mein Freund sich eine fiese Lebensmittelvergiftung eingefangen. Er lag fast die gesamten zwei Wochen flach. Innerhalb  des Landes sind wir mit dem Bus gereist. Die langen Fahrten auf schlechten Straßen trugen nicht wirklich zur Besserung bei. Ohne unsere Reiseapotheke wäre das nicht machbar gewesen: Schmerzmittel, Elektrolyte, Durchfallmittel, Desinfektionszeug – ich war heilfroh, dass wir alles dabei hatten.«

Mein 15-Kilo-Rucksack 

»Mein Reiserucksack ist robust, bequem und hat genau die richtige Größe. Allerdings hatte ich für diese Reise zu viel eingepackt: mehrere Hosen, Shirts, Hygieneartikel –, was man eben so braucht. Insgesamt 15 Kilo auf dem Rücken. Heute würde ich definitiv minimalistischer packen. Aber: Mit Rucksack zu reisen ist einfach praktisch, gerade wenn man viel zu Fuß unterwegs ist oder spontan ins Boot oder aufs Moped steigen muss.«

Nie wieder ohne Reiserücktrittsversicherung

»Damals auf der großen Reise hatte ich keine, aber ich würde heute definitiv nicht mehr ohne Reiserücktrittsversicherung auf Tour gehen. Auf unserem Trip durch Südostasien ging alles gut. Aber in diesem Sommer mussten mein Freund und ich eine Reise aus privaten Gründen absagen. Auf einem Großteil der Kosten sind wir sitzengeblieben. Man sollte immer im Hinterkopf haben: Es kann gutgehen, muss aber nicht. Und wenn’s schiefgeht, ist eine Reiserücktrittsversicherung Gold wert.«

Was hat sich nach deiner Auszeit bei dir verändert?

Ich weiß jetzt zu schätzen, was wir in Deutschland haben

»Nach viereinhalb Monaten auf Reisen war ich jedes Mal froh, wieder in Deutschland zu landen. Vor allem nach der Zeit in Südostasien habe ich viele Dinge mit anderen Augen gesehen: medizinische Versorgung, funktionierende Bürokratie, Verlässlichkeit. Klar regt man sich über manches hier auf. Aber ich habe eben auch gelernt, wie viel wert diese Dinge sind.«

Ich bin mutiger geworden

»Vor der Reise war ich deutlich zurückhaltender. Ich habe mehr gezögert und mir vielleicht auch weniger zugetraut. Heute bin ich selbstbewusster. Ich weiß, dass ich mich auf mich verlassen kann. Ich habe gelernt, mit Herausforderungen umzugehen, Dinge allein zu regeln – und zu improvisieren. Reisen bildet, aber vor allem formt es die Persönlichkeit.«

Ich hänge weniger an Besitz

»Es klingt banal, aber wenn du monatelang nur mit einem Rucksack unterwegs bist, merkst du schnell, wie wenig du eigentlich brauchst. Seitdem miste ich nach jeder Reise regelmäßig aus. Ich hänge nicht mehr so sehr an Besitz. Allerdings freue ich mich über die Kleinigkeiten, die ich mir als Erinnerungen von den Reisen mitgebracht habe. Es ist ein schönes Gefühl, dass Freiheit manchmal nur ein paar Kilo Gepäck sind.«

Sabbatical: Einmal um die ganze Welt

Zur Person

Claudia Sittner ist selbständige Beraterin und Bloggerin. Nach zwei längeren Weltreisen – zuletzt ein Jahr rund um den Globus – gründete sie ihr Unternehmen Modern Sabbatical und begleitet heute Menschen auf dem Weg in ihre persönliche Auszeit. Zuvor war sie viele Jahre als Referentin in einem Medienhaus tätig.

Einmal war nicht genug: Nach ihrer ersten Weltreise 2017 wusste Claudia Sittner, dass Reisen ein wichtiger Teil ihres Lebens bleiben sollte. Sechseinhalb Jahre später ließ sie erneut alles hinter sich. In zwölf Monaten reiste sie einmal um die Welt. Die Reise führte sie von den Orang-Utans in Borneo über die Quokkas in Australien bis zu einer Ballonfahrt über die Pyramiden von Teaotihuacán. Heute begleitet sie andere auf dem Weg in ihre persönliche Auszeit.

Wildnis pur: In Borneo beobachtete Claudia Sittner Orang-Utans in ihrer natürlichen Umgebung

Was waren drei Highlights deiner Auszeit?

Orang-Utans im Dschungel von Borneo

»Im Nordosten der Insel, fernab von Straßen und Städten, lag ein kleines Forschungszentrum mitten im Regenwald. Dort haben wir übernachtet. Am Abend sahen wir dabei zu, wie ein Orang-Utan sein Nest zum Schlafen baute, sich mit Blättern zudeckte und langsam zur Ruhe kam. Am nächsten Morgen konnten wir verfolgen, wie er aufwachte, sich reckte und streckte. Mein Herz hüpft immer, wenn ich Tiere in ihrer natürlichen Umgebung beobachten kann. Ein großartiger Moment!«

Quokkas auf Rottnest Island

»Rottnest war eigentlich gar nicht mein Traumziel in Australien, sondern der Wunsch meines Partners. Er hatte sich in Quokkas, die kleinen Beuteltiere mit dem scheinbar ewigen Lächeln, verliebt. Also fuhren wir auf die autofreie Insel vor Perth und blieben über Nacht. In der Dämmerung raschelten die Quokkas aus dem Gebüsch, einige mit Babys im Beutel. Ich hatte die Tiere vor Jahren schon einmal gesehen, aber diesmal war es anders: bewusster, ruhiger, schöner. Vielleicht war es so besonders, weil ich wusste, wie viel es ihm bedeutete.«

Ballonfahrt über die Pyramiden in Mexiko

»Der Wecker klingelte vor Sonnenaufgang. Mein Freund hatte keine Lust, also machte ich mich allein auf den Weg. Es war kalt, die Straßen von Mexiko City menschenleer. Doch dann dieser Anblick: Unzählige bunte Ballons stiegen im ersten Sonnenlicht in den Himmel auf. Auch ich kletterte in einen Korb. Wir überflogen die Pyramiden von Teotihuacán – es war atemberaubend! Ich hatte so ein Grinsen im Gesicht, das ging gar nicht mehr weg.«

Nenne drei Dinge, ohne die es auf deiner Reise nicht ging

Der Reisepass

»Für mich ist er ein echtes Geschenk: der deutsche Reisepass. Einer der weltweit am meisten akzeptierten. Mit ihm können wir in die meisten Länder dieser Welt visumsfrei einreisen. Gerade bei längeren Trips ohne feste Route ist das ein großer Vorteil.«

Handy und SIM-Karten

»Ob Navigation, Übersetzungen, Arzttermine oder Updates an Familie und Freunde – mein Handy war immer dabei. In jedem Land habe ich mir direkt am Flughafen eine lokale SIM-Karte gekauft und konnte mich sofort orientieren. Ein kleiner Fun Fact: Ein Taxifahrer aus Sri Lanka checkt bis heute regelmäßig meinen WhatsApp-Status. Ich weiß noch, wie er fassungslos den Kopf schüttelte, als ich ihm erzählte, dass es bei uns in Deutschland keine Affen gibt.«

Auslandskrankenversicherung

»Ich wurde auf Reisen zweimal medizinisch behandelt – unter anderem wegen Schilddrüsenproblemen nach einer Corona-Infektion. Es kann immer was passieren unterwegs. Deshalb ist eine gute Auslandskrankenversicherung selbstverständlich. Wichtig war mir, dass Länder wie die USA und Kanada mitversichert waren, dass die Versicherung die Kosten direkt übernommen hat und ich nicht in Vorleistung gehen musste, und dass der medizinische Rücktransport durchgeführt wird, wenn er medizinisch sinnvoll ist. Superpraktisch war beim letzten Mal, dass ich die Ärzte über eine App finden und über diese zeitnah Termine vereinbaren konnte.«

Was hat sich nach deiner Auszeit bei dir verändert?

Aus der Auszeit wurde ein Beruf

»Nach meiner zweiten Weltreise wusste ich, dass ich nicht zurück ins alte System will. So habe ich Modern Sabbatical gegründet und begleite heute Menschen auf dem Weg in ihre eigene Auszeit. Ich halte Vorträge, gebe Workshops, berate und helfe beim Organisieren. Ich bin die Mutti, die dich an die Hand nimmt, und die Freundin, die dir in den Hintern tritt. Als Tochter von Beamten wäre die Selbstständigkeit für mich früher undenkbar gewesen. Heute fühlt es sich genau richtig an.«

Neue Dankbarkeit für das, was oft selbstverständlich scheint

»Ich erinnere mich gut an diesen Moment: Du steigst in Deutschland aus dem Flugzeug und atmest saubere, frische Luft. Erst nach Monaten in Ländern, in denen es so heiß und schwül ist, dass man nie das Fenster öffnen kann, merkt man, was man zu Hause hat: ein gut verträgliches Klima, immer sauberes Wasser aus dem Hahn, eine funktionierende Infrastruktur und medizinische Versorgung.«

Fähigkeiten, die man nicht im Seminar lernt

»Ich bin definitiv lösungsorientierter geworden. Ich habe meine Wohnung untervermietet, Arzttermine in Sri Lanka, Thailand und Mexiko City organisiert, SIM-Karten verglichen und Flugrouten geplant. Soft Skills wie Flexibilität, Eigenverantwortung oder Krisenmanagement lernt man nur im echten Leben.«

Text Margret Meincken
Bilder
privat

Das könnte Sie auch interessieren

Unsere Öffnungszeiten

Mo:09:00 - 12:30 und 14:30 - 17:30 Uhr
Di:09:00 - 12:30 und 14:30 - 17:30 Uhr
Mi:09:00 - 12:30 und 14:30 - 17:30 Uhr
Do:09:00 - 12:30 und 14:30 - 17:30 Uhr
Fr:09:00 - 12:30 Uhr