Als Krankenschwester für Kinder und Erwachsene weiß Josephine Stabel, was Dauerbelastung bedeutet. Für 1890 digital hat die erfahrene Krisenmanagerin aus München die App »Mein StressCoach« von Allianz und HelloBetter auf Herz und Nieren geprüft.
Zur Person
Josephine Stabel, Jahrgang 1980, arbeitet seit sechs Jahren als Kontaktschwester im Deutschen Herzzentrum München. Dort betreut sie herzkranke Kinder und Erwachsene sowie deren Angehörige. Davor war sie über zehn Jahre als Krankenschwester auf der Intensivstation und in der Anästhesie tätig. Die dreifache Mutter lebt mit ihrer Familie und Hund Monty in München.
Wenn das Diensttelefon klingelt, schlägt mein Puls bis zum Hals. Jedes Mal. Selbst, wenn die meisten Anrufe harmlos sind. Zum Beispiel rufen mich Pflegerinnen an, wenn die Zeit knapp ist. Da heißt es: »Kannst du mal schnell kommen? Wir müssen Amelie ein Zäpfchen geben. Wir kriegen sie nicht beruhigt.« Oder wegen Papierkram: »Wir brauchen noch die Liste mit den Reha-Kliniken für Lukas. Der wird heute entlassen.«
Aber es gibt Anrufe, da wird es ernst. Wenn Kinder plötzlich reanimiert werden müssen, weil das kranke Herz aufgibt. Oder eine OP misslingt. Dann ist es mein Job als Kontaktschwester am Deutschen Herzzentrum München, Angehörige dabei zu unterstützen, die Hiobsbotschaft besser zu verkraften. Ich tröste weinende Mütter. Beruhige wütende Väter. Trockne Tränen. Höre zu. Oder sitze einfach nur schweigend da und halte Hände.
Stresstest für den Stressprofi
Die Erlebnisse schwirren lange in meinem Kopf. Sie fühlen sich wie ein Wasserstrudel an, der mich nach unten ziehen will. Ich habe in meinen über 20 Berufsjahren als Krankenschwester schon viel ausprobiert, um mit der Belastung klarzukommen. Yoga. Stricken. Meditation. Sich mit Kolleginnen austauschen. Die psychosoziale Unterstützung, kurz PSU, habe ich auch schon öfter in Anspruch genommen. Sie ist ein Service für Menschen im Gesundheitswesen, um die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden zu erhalten, insbesondere nach belastenden Einsätzen.
Ich bin also immer offen für neue Ideen. Insofern klang die App »Mein StressCoach« der Allianz in Kooperation mit HelloBetter und der Allianz zur Stressbewältigung recht vielversprechend. Obwohl ich natürlich auch skeptisch war. Was kann eine App mir als Stressprofi überhaupt noch beibringen?
Die Anmeldung war unkompliziert. Die App stellte mir zu Beginn viele Fragen zu meinem persönlichen Stresslevel, meinen Symptomen und meinen Zielen. Das fühlte sich sehr persönlich an. Es ist kein »One-size-fits-all«-Ansatz, sondern eine individuelle Bestandsaufnahme. Und auch die Möglichkeit, über die Nachrichtenfunktion mit einer Psychologin oder einem Psychologen sprechen zu können, gab ein sicheres Gefühl.
Die Werkzeuge für den Notfallkoffer
Bei den ersten Einheiten kam die Psychoedukation ins Spiel – also das Wissen über die psychologischen und körperlichen Vorgänge bei Stress. Die App erklärte mir das »Kampf-oder-Flucht«-Modell. Warum bei Stress mein Herz rast, meine Hände schwitzen und meine Gedanken kreisen. Zugegeben: Für mich als Krankenschwester war das nichts Neues. Aber ich weiß, dass das Wissen um eine Krankheit der erste Schritt zu deren Akzeptanz ist. Schließlich wenden wir das Prinzip selbst bei Patienten und deren Angehörigen an. Auch unser Klinikteam klärt sie über ihre Herzfehler auf. Zudem erzähle ich ihnen, wozu die ganzen Schläuche und Apparate hier in der Klinik nötig sind. Das nimmt den meisten Menschen die Angst und reduziert ihr Stresslevel.
Was die App aus meiner Sicht auszeichnet, sind die alltagstauglichen Übungen. Alles solide Werkzeuge für den mentalen Notfallkoffer.
Eine Funktion habe ich besonders häufig genutzt. Es ist das digitale Tagebuch. Jeden Tag fragte mich die App zum Beispiel, wie ich mich fühle und welche positiven Dinge mir heute passiert sind. Im ersten Moment hört sich das banal an. Wie ein:e Partnerin, die oder der sich am Abend erkundigt: »Wie war dein Tag, Liebling?« Aber wenn man sich darauf einlässt, kann die Technik einem die positiven Dinge bewusst machen, um aus der negativen Abwärtsspirale zu entkommen. Dass so ein Tagebuch helfen kann, weiß auch die Forschung. Es gibt mehrere aktuelle Studien, die darauf hinweisen, dass das sogenannte Journaling möglicherweise das Immunsystem schwerkranker Menschen stärken kann und dass selbst Patienten mit Depressionen einen signifikanten Rückgang ihrer depressiven Symptome erleben können – insbesondere bei leichten bis moderaten Beschwerden.
Trotz belegter Wirksamkeit hatte ich am Anfang mit der Aufgabe echt Mühe. Man fühlt sich total ausgelutscht und soll dann noch schreiben, was an diesem bescheuerten Tag gut war? Nicht euer Ernst! Aber nach ungefähr zwei Wochen sind mir immer schneller die schönen Momente eingefallen. Denn ganz wichtig: Auch Kleinigkeiten zählen! »Heute habe ich die Kids aus Zimmer 14 zum Lachen gebracht, weil ich aus einem Latexhandschuh ein Luftballongesicht gebastelt habe.« Noch immer muss ich schmunzeln, wenn ich den Eintrag auf meinem Handy lese.
Hilft aus der Abwärtsspirale: das digitale Tagebuch




Der Gedanken-Stopp-Schalter
Ein weiteres Werkzeug ist die Technik des »Gedankenstopps«. Eine Übung, die mir in meiner Zeit als Krankenschwester auf der Intensivstation wahrscheinlich mehr geholfen hätte als in meiner jetzigen Position als Kontaktschwester. Gerade durch den Schichtdienst und die große Verantwortung habe ich mich damals oft ausgelaugt gefühlt. Natürlich sind mir auch manchmal kleine Fehler passiert. Da haben mich oft »Was-wäre-wenn«-Gedanken gequält.
Die App zeigt einem sehr gut, wie man diese negativen Gedanken bewusst wahrnehmen und ihnen ein klares »Stopp!« entgegensetzen kann. Selbst wenn man sich anfangs albern vorkommt, funktioniert das bei regelmäßiger Anwendung super. Man lernt, destruktive Gedanken durch konstruktive zu ersetzen. Statt »Was, wenn ich einen Fehler mache?«, denkt man: »Ich bin gut ausgebildet, arbeite gewissenhaft und tue mein Bestes.«
Die Grenzen der digitalen Hilfe
Mein Fazit nach sechs Wochen des Testens: Die App ist kein Wundermittel. Es gab viele Tage, an denen ich nach einem zermürbenden Tag einfach keine Kraft mehr hatte, meine Gefühle in ein Display zu tippen. Da war ich froh, das Handy einfach mal wegzulegen und ein schönes Buch zu lesen.
Und natürlich waren nicht alle Methoden zur Stressbewältigung für mich gleichermaßen sinnvoll. Hier muss man sich die Werkzeuge rauspicken, die für den persönlichen Notfallkoffer passen. Womit ich beim großen Plus der App »Mein StressCoach« von HelloBetter bin: Wer sich mit dem Thema Stressbewältigung bisher wenig oder noch gar nicht auseinandergesetzt hat, bekommt mit der App eine reichhaltige Palette an Möglichkeiten an die Hand – alltagstauglich, fundiert und einfach erklärt.
Im nächsten Schritt gilt es dann, selbst herauszufinden, wie man die Tools am besten in seinen Alltag integriert. Das braucht Geduld. Und manchmal ändern sich auch im Laufe der Zeit die individuellen Taktiken. Für mich ist mittlerweile mein bester Stresscoach Monty, unser Familienhund. Wenn ich mit ihm nach einem anstrengenden Kliniktag im Park Stöckchen werfe, fliegt der Stress in hohem Bogen mit über die Wiese. Und wie die App mir gezeigt hat, sind genau solche Kraftgeber Gold wert.
Protokoll Sonja Hoogendoorn
Foto Midjourney / In A Nutshell; privat