Es muss nicht immer ein eigener Garten sein – auch auf dem Balkon können Sie für Insekten eine kleine Oase schaffen. Erfahren Sie im Interview mit Janna Einöder vom NABU Berlin, wie so ein insektenfreundlicher Balkon aussieht und warum wir die kleinen Sechsbeiner oft unterschätzen. Plus: die Top 4 der idealen Balkonpflanzen
Zur Person
Janna Einöder hat ihren Master in Umweltbiologie in Utrecht gemacht. Ihre Masterarbeit schrieb sie zum Thema Hummeln. Seit 2020 arbeitet sie in der NABU-Landesgeschäftsstelle Berlin als Pressereferentin und Referentin für Stadtgrün. Die gebürtige Kölnerin hat einen eigenen Balkon. Dort beobachtet sie sehr gerne ihren Kübel, in dem sie Pflanzen und Kräuter wild wachsen und aussamen lässt.
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Warum sind Insekten so wichtig für unsere Umwelt?
Insekten gehören einfach zu unserem Leben dazu. Ohne sie wäre die Welt nur halb so schön, finde ich. Sie haben wichtige Funktionen für uns und unsere Ökosysteme. Die für uns sehr wichtige Aufgabe ist die Bestäubung unserer Wildpflanzen, aber auch unserer Früchte und Gemüsepflanzen. Sie sind aber auch Verwerter und Regulatoren: Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Zersetzung von organischem Material oder sind wertvoll beim Regulieren von Krankheiten.
Welche Insekten sind denn die besten Bestäuber?
Die meisten denken dabei sofort an die Honigbiene. Aber Honigbienen sind recht faul und bestäuben nicht so akkurat. Sie fliegen immer sehr gerne auf Blüten einer gleichen Farbe oder einer gleichen Art, daher werden sie auch so gerne für die Bestäubung von Nutzpflanzen verwendet. Wildbienen hingegen sind kleiner, verweilen länger auf der Blüte und können so den Pollen gut verteilen. Aber es gibt auch noch andere Bestäuber, die man nicht unbedingt auf dem Schirm hat – die Fliegen. Erwachsene Schwebfliegen ernähren sich ausschließlich von Nektar und Pollen und bestäuben sehr gut. Sie sind für mich die Hidden Champions.
Was würde passieren, wenn es keine Insekten mehr gäbe?
Das Ökosystem würde aus dem Gleichgewicht geraten. Vögel hätten viel weniger bis gar keine Nahrung mehr und die Bestäubungsleistung würde nachlassen. Der aktuelle ökonomische Wert wurde allein in Deutschland auf 3,8 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Das heißt, wenn es keine Insekten mehr gäbe, würde das auf jeden Fall erhebliche Kosten für Mensch und Natur bedeuten.
Haben Sie eine Zahl, wie viele Insekten mittlerweile ausgestorben oder bedroht sind?
Pauschal kann man das definitiv nicht sagen, weil ganz viele Daten fehlen. Dazu zählen Rote Listen, die nicht mehr aktualisiert werden. Auch Expert:innen werden weniger, die sich richtig gut mit den jeweiligen Arten auskennen. In Berlin gelten zum Beispiel 13 Prozent aller Arten als ausgestorben oder verschollen und 31 Prozent als gefährdet. Doch auch hier fehlen Daten zur aktuellen Lage. Indizien für einen massiven Rückgang zeigen lokale Erhebungen wie die Krefelder Studie aus dem Jahr 2017. Biolog:innen haben die Biomasse der Insekten in Schutzgebieten in Nordwestdeutschland gemessen. Es wurde ein Rückgang von 75 Prozent festgestellt. Das ist erschreckend.
Wer oder was hat denn den größten Einfluss auf das Insektensterben?
Ein großes Problem sind die Versiegelung und zunehmende Inanspruchnahme von Flächen. Vor allem für Bodeninsekten ist das eine Katastrophe, weil ihnen der ganze Lebensraum genommen wird, aber auch anderen Insekten fehlt immer mehr Lebensraum. Auch die Klimakrise beschleunigt das Artensterben, denn lange Hitze- und Dürreperioden oder Starkregenereignisse können für Insekten lebensbedrohlich werden.
Viele Insekten suchen sich mittlerweile ihren Lebensraum in der Stadt. Wie geeignet ist dieses Habitat wirklich für sie?
Tatsächlich sind Städte ein Refugium für viele Insekten, vor allem für Fluginsekten. Wildbienen, zum Beispiel, lieben die vielfältigen Nischen in der Stadt. Hier in Berlin gibt es viele Kopfsteinpflasterstraßen, wo sie sich perfekt in den Zwischenräumen einnisten können – sofern es Nahrungspflanzen in der Nähe gibt. In einer Großstadt leben aber vorrangig Insekten, die robuster sind und gut mit Störungen und Lärm umgehen können. Beispiele für die Anpassungsfähigkeit sind die Wildbienen, die in Blumenkästen nisten. Doch auch hier in der Stadt schwinden Lebensräume durch Versiegelung.
»Damit sich Insekten wohlfühlen, braucht es immer diesen Dreiklang: Nahrung, Lebensraum und Nistplatz.«
Janna Einöder, NABU Berlin
Wie kann man seinen Balkon so gestalten, dass sich Insekten dort wohlfühlen?
Damit sich Insekten wohlfühlen, braucht es immer diesen Dreiklang: Nahrung, Lebensraum und Nistplatz. Das heißt, man sollte vor allem heimische Sträucher, Stauden oder Ähnliches anbieten. Daran sind die Insekten angepasst. Exotische Pflanzen können zwar prächtig aussehen, sind für Insekten jedoch oft völlig wertlos. Strukturelemente sind immer toll, beispielsweise sandige Ecken, trockene Pflanzenstängel, Bambusstäbe oder Holzscheite. Wasserstellen sind vor allem im Sommer sehr wichtig. Da reicht ein Blumenuntersetzer mit ein bisschen Moos oder Steinen darin, damit die Insekten landen und dort trinken können.
Wenn ich Geld sparen möchte, könnte ich auch in den Wald oder auf die Wiese, um dort Totholz oder Steine mitzunehmen?
Ja, das wäre eine Möglichkeit. Aber man sollte auf jeden Fall darauf achten, ob auf dem Holz oder auf der Rinde nicht schon kleine Insekten leben. Denn: Wenn man auf einem Balkon ganz oben wohnt und im Wald einen Totholzast mitnimmt, der eigentlich ganz gut im Schatten gelegen hat, dann verändert man dort auch den Lebensraum sehr stark. Deswegen würde ich vielleicht lieber die Nachbarn fragen, wenn sie im Garten einen Baum gefällt haben und nicht wissen, wohin mit dem Holz und den Ästen.
Was sollte man auf seinem Balkon vermeiden?
Gift steht für mich an erster Stelle. Pestizide gegen Blattläuse, gegen Schnecken etc. bitte auf keinen Fall einsetzen. Selbst wenn man das nur einmal und lokal macht, weiß man nicht, wie weit das getragen wird. Das geht dann in den Boden, und wenn dieser nicht ausgetauscht wird, kann das große Schäden anrichten. In einem gesunden Ökosystem werden die vermeintlichen Schädlinge zu Nützlingen für andere Insekten. Der Marienkäfer und die Blattlaus sind einfach eine super Kombination. Leider gibt es in vielen Baumärkten schöne Pflanzen, die oft mit viel Gift und Torf hochgezogen wurden, und dann nach zwei Wochen zu Hause anfangen zu kränkeln. Außerdem bringen sie unseren Insekten gar nichts, denn sie produzieren oft keinen Nektar, und die Insekten sind nicht an sie angepasst. Am besten ist es, heimische Pflanzen zu kaufen, die man auch im Internet bestellen kann. Es gibt auch regionale Baumschulen oder Gärtnereien, die einheimische Ware anbieten. Zudem sollte man unbedingt Torferde vermeiden, denn Torfabbau ist absolut klimaschädlich.
Welche Pflanzen können gut nebeneinander wachsen?
In einem Kasten sollte man Pflanzen zusammenbringen, die ähnliche Ansprüche und eine ähnliche Wuchskraft haben. Stauden, die trockenen, sauren Boden mögen, sollten beispielsweise nicht neben solchen gepflanzt werden, die humusreichen, nassen Boden bevorzugen. Gleich und Gleich gesellt sich gerne. Trockenheitsliebende Kräuter wie zum Beispiel Thymian und Rosmarin passen gut nebeneinander.
Welche Pflanzen wachsen ganzjährig sehr gut auf dem Balkon?
Am besten sind mehrjährige Stauden oder Pflanzen, die auch auf Wiesen vorkommen, zum Beispiel die Wiesenflocken- oder Glockenblumen. Ein Phlox blüht bei mir auch schon seit fünf Jahren üppig und lang. Viele Kräuter kommen auch immer wieder und blühen dann schön, wie der Thymian. Auch der Schnittlauch hat zum Beispiel eine ganz tolle Blüte, die man nur sieht, wenn man ihn wachsen lässt. Wenn der Balkon etwas größer ist, sind Beerensträucher wie die Himbeere oder Schwarze Johannisbeere ganz toll und ein Gewinn für Mensch und Tier: Die Beeren sind superlecker und gut für die Insekten.
Vier Pflanzen, die auf Ihrem Balkon nicht fehlen dürfen
1. Glockenblume
Glockenblumen verdanken ihren Namen den hübschen glockenförmigen Blüten, die je nach Art und Sorte zwischen Mai und September erscheinen. Da die Blüten meist weit geöffnet sind, dienen sie vielen Insekten wie Bienen und Schmetterlingen als Nahrungsquelle.
Glockenblumen können von März bis Oktober gepflanzt werden. Wer sie im Frühjahr pflanzt, kann sich den ganzen Sommer über an ihren Blüten erfreuen. Glockenblumen bevorzugen einen sonnigen bis halbschattigen Standort. Regelmäßiges mäßiges Gießen reicht aus, Nässe mögen sie nicht. Die meisten Glockenblumen wie Bart-, Kaukasus-, Rapunzel-, Wiesen- und Zwergglockenblume sind winterhart.
2. Echter Lavendel
Lavendel eignet sich hervorragend als Balkonpflanze, da er Sonne und Wind gut verträgt. Er lockt zuverlässig Insekten wie Hummeln an. Der Topfballen darf leicht feucht sein, aber überschüssiges Wasser muss ablaufen können. Lavendel liebt einen hellen, sonnigen Standort und braucht Wärme für eine reiche Blüte.
3. Scharfer Mauerpfeffer
Der Scharfe Mauerpfeffer ist eine heimische Pflanze. Das Dickblattgewächs wird nur bis zu zehn Zentimeter hoch und deswegen auch gerne für eine Dachbegrünung verwendet. Von Juni bis Juli zeigt er seine gelben Blüten, die vor allem bei Bienen, aber auch anderen Insekten, hoch im Kurs stehen. Der Mauerpfeffer bevorzugt einen vollsonnigen, hellen und warmen Platz. Die Pflanze mag es gern trocken, regelmäßig gießen muss man sie also nicht. Mauerpfeffer ist bis -20 Grad Celsius winterhart.
4. Echter Thymian
Der Echte Thymian wird 10 bis 40 Zentimeter hoch. Von Mai bis in den Herbst hinein öffnet er kleine rosa bis violette Blüten, die von Wildbienen gerne als Nahrungsquelle angenommen werden. Das Gewürzkraut liebt ein sonniges Plätzchen mit einem locker-sandigen und kalkhaltigen Boden – im Idealfall aber geschützt vor Wind und Regen. Ist das gegeben, ist die Pflanze sehr pflegeleicht, gelegentliches Gießen reicht.
Text Maria Dünninger
Illustrationen Anne Quadflieg, Adobe Stock/ruskpp, AdobeStock/Keiko Takamatsu, iStock/Olaf Simon