01.12.2023

»Aus Milliarden müssen Billionen werden«

Martin Ewald ist Managing Director und Lead Portfolio Manager Impact Investments bei Allianz Global Investors. Im Interview erklärt er, wie die Anlageform blended finance die notwendigen Billionen für den Kampf gegen den Klimawandel mobilisieren kann

Zur Person

Martin Ewald ist Managing Director und Lead Portfolio Manager Impact Investments bei Allianz Global Investors. 

Blended finance ist als Feld relativ neu. Warum braucht die Welt diese Anlageform?
»Die Welt« ist gut gewählt, denn es geht um nichts Geringeres als den erdumspannenden Kampf gegen den Klimawandel. Diese Herausforderung kann die Welt nur meistern, wenn neben begrenzten öffentlichen Mitteln auch privates Kapital mobilisiert wird. Nur Letzteres ist reichlich vorhanden, um etwa den Übergang zu erneuerbaren Energien in Afrika zu finanzieren – und dies jetzt zu tun, damit der Kontinent nicht weiter auf fossile Brennstoffe zurückgreift. Weil aber die Risiken hoch und viele Märkte unerprobt sind, können private Kapitalgeber nicht ohne Weiteres das Geld ihrer Kundinnen und Kunden in solche Projekte stecken. So kommt es zur Beimischung von öffentlichem Kapital als Puffer, um das Ausfallrisiko für private Anleger:innen auf ein übliches Niveau zu senken. Sobald das Rendite-Risiko-Profil stimmt, sind private Kapitalgeber für Investitionen dieser Art sehr offen.

Die Allianz Global Investors hat den Emerging Market Climate Action Fund (EMCAF) aufgelegt. Warum?
Wir sehen erstens, dass blended finance ein Geschäft mit einer großen Zukunft ist. Zweitens wissen wir, dass wir als Investor die Fähigkeiten haben, bereits heute in diesem Geschäftsfeld an vorderster Front mitzumischen. Und zu guter Letzt sind wir überzeugt: Um die Folgen des Klimawandels zu bewältigen, sind Investitionen in einer ganz anderen Größenordnung erforderlich. 2019 haben wir den von öffentlichen und privaten Mitteln gespeisten Dachfonds AfricaGrow gegründet. Dieser finanziert über afrikanische Fonds 150 innovative kleine und mittlere Unternehmen sowie Start-ups in reformorientierten Ländern, um nachhaltige Entwicklung und Arbeitsplätze zu fördern. 2021 kam der EMCAF dazu, um in globale Fonds in Schwellen- und Entwicklungsländern zu investieren, die sich auf die Errichtung von neuen Kapazitäten in Erneuerbare-Energien-Anlagen spezialisieren.

EMCAF wird mit senior capital und junior capital gespeist. Was ist der Unterschied?
Das junior capital in Höhe von bis zu 200 Millionen Euro wird von Regierungen oder öffentlichen Kapitalgebern beigesteuert – von der KfW im Namen der Bundesregierung, von der luxemburgischen Regierung und dem Nordic Development Fund. Das senior capital in Höhe von bis zu 400 Millionen Euro stammt von der Allianz, unserem Fonds-Partner, der Europäischen Investitionsbank und der schwedischen Versicherung Folksam. Sollte das Portfolio insgesamt nicht profitabel sein, was dezidiert das Ziel des Fonds ist, ist der Fonds so strukturiert, dass das erste Drittel einer etwaigen Abschreibung nur das junior capital betrifft. Das ist der Puffer, von dem anfangs die Rede war: Das private Kapital ist nicht vollkommen vom Anlagerisiko befreit, aber dennoch genügend geschützt, um das Rendite-Risiko-Profil erträglicher zu machen. Es geht um die Risikominderung, nicht um eine öffentliche Subventionierung privater Renditen.

Privates Kapital genießt also mehr Schutz. Was bringt das den öffentlichen Anlegerinnen und Anlegern?
Bleiben wir mal bei den 200 Millionen Euro der öffentlichen Kapitalgeber. Bevor es die öffentlich-private Mischfinanzierung gab, hätte eine Regierung nur diese Investitionssumme zur Verfügung gehabt. Mit blended finance kann sie nun die Kapitalsumme verdreifachen. Dafür muss sie bereit sein, ihr Kapital als junior capital zum Schutz des senior capital einzusetzen. Aber ihr Anlagerisiko ist nicht schlechter, als wenn sie ein Projekt allein stemmen würde. Zudem muss man bei Dachfonds wie AfricaGrow und EMCAF bedenken, dass für jeden in einem lokalen Fonds investierten Euro noch einmal vier Euro von Co-Investoren dazukommen. Und dass bei jedem Projekt, das dieser lokale Fonds unterstützt, durch Kreditaufnahme das Kapitalvolumen noch einmal verdreifacht oder vervierfacht wird. Jeder von einer Regierung investierte Euro kann somit bis zu 50 weitere Euro mobilisieren: Aus dem ursprünglichen Euro werden drei Euro, aus drei 15, aus 15 dann zwischen 45 und 60 Euro.

Können Sie konkrete Projekte beschreiben, für die der Fonds Kapital bereitgestellt hat?
EMCAF hat 15 Millionen US-Dollar in den ARCH Cold Chain Solutions East Africa Fund investiert. Der Fonds finanziert Entwicklung, Bau und Betrieb von temperaturgeregelten Lager- und Verteilzentren für Lebensmittel und Medikamente in Ostafrika. Damit ermöglichen wir wichtige Arbeit an der Schnittstelle zwischen Klimawandel, Ernährungssicherheit und Gesundheitsversorgung. Außerdem haben wir 25 Millionen US-Dollar in den Fonds Alcazar Energy Partners II investiert. Hierbei geht es um Entwicklung, Bau und Betrieb von Solar- und Windenergieprojekten mit einer Kapazität von 2 GW im Nahen Osten und in Nordafrika.

Wie viel Kapital könnten blended-finance-Fonds im Endeffekt für die Welt mobilisieren?
In der internationalen Gebergemeinschaft gibt es schon länger den Glaubenssatz, dass aus den Milliarden, die wir derzeit zur Bekämpfung des Klimawandels und der Folgen einsetzen, Billionen werden müssen – turning billions into trillions, wie es im Englischen so griffig heißt. Dass der Klimawandel uns Tausende von Milliarden kosten wird, steht meiner Meinung nach außer Frage. Das mag erschreckend klingen. Aber wenn uns blended finance erlaubt, durch 1 Euro, der in einen Dachfonds investiert wird, 50 Euro – oder eben durch 20 Milliarden 1 Billion – zu mobilisieren, sieht die Herausforderung schon etwas anders aus. Meiner Ansicht nach ist die öffentlich-private Mischfinanzierung der Weg, eines der größten Probleme der Welt anzugehen. 

Text Gerrit Wiesmann
Fotos
iStock/tolgart, Allianz

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