01.12.2023

Die Biotop-Gutachterin

Die Biologin Dr. Bente Limmer hat mit ihrem Team im Vorfeld das Areal für He Dreiht begutachtet. Sie erzählt, warum frühes Aufstehen wichtig ist und wie sich ein Windpark auf die Flora und Fauna auswirkt

Zur Person

Dr. Bente Limmer ist studierte Biologin und arbeitet seit mehr als acht Jahren für das Institut für Angewandte Ökosystemforschung in Rostock. Mit ihrem Team begutachtet sie vorab ausgewiesene Gebiete für Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee. Sie prüfen, welche Tiere und Pflanzen in welcher Anzahl dort vorkommen. Auch für He Dreiht hat sie mit dem Forschungsschiff das Meeresareal kontrolliert.

»Um drei Uhr in der Nacht gehts los. Dann fährt unser Forschungsschiff raus aufs Meer. Wir müssen bei Sonnenaufgang das Areal erreichen, das wir für eine sogenannte Umweltverträglichkeitsstudie prüfen sollen. Wir müssen den ersten Vogelflug am Morgen registrieren können. Das war auch für He Dreiht so. Da haben wir eine erste Basisaufnahme durchgeführt. Dafür fahren wir das gesamte Areal des geplanten Windparks mit dem Schiff ab – in einem engmaschigen Streifenmuster. Dabei dokumentieren wir Flora und Fauna vom Meeresboden bis zum Himmel. Wir erfassen zum Beispiel, welche Vögel oder Meeressäuger wir entdecken und wie viele. Es werden Sidescan-Sonar-Aufnahmen vom Meeresboden gemacht. Zusätzlich entnehmen wir mit Greifern und Netzen Proben vom Meeresboden, um dort das Benthos zu charakterisieren, also die Organismen auf dem Grund oder innerhalb der Sedimentdecke. Mit einem Hydrofon können wir Klicklaute von Walen aufnehmen. Und für die Bestimmung der Vogelwelt nutzen wir am Tag ganz klassisch unsere Ferngläser. Bei Nacht hilft uns das Radar, um Vogeltrupps auch im Dunkeln sichtbar zu machen, oder wir benutzen unsere Ohren, um sie zu >verhören<. Denn wenn Vögel in der Dunkelheit ziehen, sorgen sie mit ihren ständigen Lauten dafür, dass der Schwarm zusammenbleibt. 

Im Fall von He Dreiht waren wir zwei Jahre jeden Monat mehrere Tage unterwegs. Sobald der Windpark gebaut wird, prüfen wir noch einmal das Biotop während der Bauphase und anschließend begleitend, wenn He Dreiht in Betrieb läuft. Damit erforschen wir, inwieweit Tiere ihr Verhalten etwa aufgrund von Bauarbeiten oder dem Betrieb ändern. Daraus gewinnen wir auch Erkenntnisse für künftige Projekte. Ein gutes Beispiel sind die gefährdeten Schweinswale in unseren Meeresgebieten. Auch dank solcher Biotop-Prüfungen konnte schon festgestellt werden, dass die scheuen Säuger sich an den lauten Rammarbeiten stören, die beim Setzen der Windradfundamente in den Meeresboden entstehen. Deswegen legen heute Bautechniker:innen am Meeresgrund Schläuche, aus denen mit Druckluft Blasen gepresst werden. Diese steigen wie eine Wand auf und dämmen so den Schalleintrag der Bauarbeiten. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie hat deswegen auch ein gesetzliches Limit für Deutschland vorgeschrieben, dass solche Rammarbeiten in einem Abstand von 750 Metern Entfernung zum Pfahl nicht lauter als 160 Dezibel sein dürfen. 

Doch auch wenn Offshore-Bauarbeiten das empfindliche Ökosystem definitiv stören, wissen wir, dass es sich danach auch wieder erholen kann. Schweinswale etwa kehren wieder zurück.  

Vieles wissen wir aber noch nicht. Dafür ändert sich der technische Fortschritt in der Branche zu schnell. Windräder werden zum Beispiel immer höher gebaut. Dadurch können andere Vogelarten betroffen sein, die eher höher am Himmel ziehen. Für andere Spezies können solche Windparks aber auch eine Chance sein. Es gibt zum Beispiel Hinweise, dass die Fundamente im Wasser ein neues Zuhause für die europäische Auster oder den Hummer sein könnten.«

Text Sonja Hoogendoorn
Foto Maximilian Mann

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