Corona-Pandemie, Krieg, Klimakatastrophe: Die vergangenen Jahre haben die Unternehmen vor enorme Herausforderungen gestellt. Wir stellen drei Firmenkunden der Allianz vor und zeigen, wie sie ihren Betrieb durch die schwierige Zeit geführt haben und mit welchen Lösungen sie künftigen Krisen entgegentreten wollen
Zur Person
Manfred Müller, Jahrgang 1962, ist gelernter Bauingenieur, stieg jedoch 1993 in das Familienunternehmen ein – zunächst als Angestellter, bald auch als Geschäftsführer.
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Auch diese Firmenkunden haben ihren Betrieb durch Krisen geführt:
Folge 3: Der Familienbetrieb für Naturstein- und Fliesenlegearbeiten in Bad Homburg
Genau 13 Stufen sind es, die Manfred Müller jeden Morgen um 7:15 Uhr von seinem Zuhause nach unten geht. Dann steht er in seinem Handwerksbetrieb, in dem es um diese Zeit noch ruhig ist. Erst einmal Kaffee kochen, den Computer hochfahren und E-Mails checken. Welcher Bauherr hat sich über Nacht mit Sonderwünschen gemeldet? Was ist wichtig für den bevorstehenden Tag? Es folgt eine kurze Lagebesprechung mit seinen sechs Mitarbeitern, die inzwischen eingetrudelt sind. Wer fährt heute auf welche Baustelle? »Und dann sind meine Jungs erst mal unterwegs«, sagt Müller. Der 60-Jährige bleibt zurück und kümmert sich um Beratungen, löst Probleme, schreibt Rechnungen und Angebote.
Denn Handwerker ist der Bad Homburger eigentlich nicht. Fünf Jahre arbeitete er bereits als Bauingenieur, als er 1993 doch in das Familienunternehmen einsteigt, nachdem ihm seine Mutter »keine Ruhe gelassen hat«. Bereits 1964 gründete sein Vater, Fliesenlegermeister Kurt Müller, den Betrieb. »Mein Vater war ein Handwerker der alten Schule«, erzählt Manfred Müller. »Wenn er dann am Wochenende noch für die Buchhaltung im Büro sitzen musste, hat er sich immer geärgert.« Also übernimmt der Sohn diesen Part – zuerst als Angestellter, später als Geschäftsführer. Als der Vater 2006 mit nur 65 Jahren stirbt, führt er die Firma, die sich inzwischen überwiegend auf Naturstein konzentriert hat, allein weiter.
In Hochzeiten hatte er fünfzehn Mitarbeiter, heute sind es nur noch sechs. Dazu kommen seine Frau und seine Tochter, die beide in der Buchhaltung mitarbeiten. Der Personalrückgang liegt nicht an der schlechten Auftragslage: »Wir sind bereits jetzt fürs ganze restliche Jahr und darüber hinaus ausgebucht.« Aber über die Jahre sind mehrere langjährige Angestellte in den Ruhestand gegangen, andere haben sich »einen leichteren Job« gesucht.
»Schon seit zehn Jahren spüre ich den Fachkräftemangel«
Manfred Müller
Die Stellen nachzubesetzen ist schwierig bis unmöglich. »Schon seit zehn Jahren spüre ich den Fachkräftemangel«, sagt Manfred Müller. Es sei immer schwieriger geworden, gute Leute zu finden, die wirklich Lust auf den Beruf hätten und ihr Handwerk verstünden: »Es reicht eben nicht, eine Fliese halbwegs gerade an die Wand kleben zu können.« Auch Auszubildende würden heute »lieber zur Bank gehen oder Mechatroniker werden«.
Obwohl er über alle Kanäle versucht, neue Mitarbeitende zu finden: Die zwei Männer, die in den vergangenen fünf Jahren neu zum Team hinzugekommen sind, findet er über Kontakte und durch Zufall. »Als er seinen Installationsbetrieb zumachte, hat mich der Firmenchef gefragt, ob ich einen seiner Leute übernehmen wolle«, so Müller. Der andere, ein Syrer, sei eines Tages im Laden gestanden und hätte sich vorgestellt. »Im Gespräch habe ich gleich gemerkt: Das passt! Und habe ihn dann nach einer Woche Probearbeit eingestellt.«
Hätte er mehr Personal, könnte er mehr Aufträge annehmen. Er müsse viel absagen, stark sortieren oder aufs nächste Jahr verschieben. Die Vorlaufzeit werde immer länger. Dabei ist der Personalmangel nicht das einzige Problem, das Müllers Betrieb ausbremst: Auch Lieferschwierigkeiten für verschiedene Baustoffe machen das Arbeiten nicht einfacher. Die Blockaden im Suezkanal haben im Bereich Naturstein zu Engpässen geführt. Dazu kommt: »Ein Container hat plötzlich das Fünffache gekostet. Dadurch sind die Quadratmeterpreise der Natursteine entsprechend in die Höhe geschossen.« Manche Materialien sind plötzlich gar nicht mehr zugänglich. Müller hat glücklicherweise rechtzeitig Hamstereinkäufe gemacht – nicht ohne Risiko: »Natürlich muss man es finanzieren können, sich das Lager vollzustellen. Und dann muss man hoffen, dass der Geschmack der Kunden und Kundinnen so bleibt.« Im Fliesenbereich müssten sie auf das zurückgreifen, was eben da sei. »Wir hatten gar keine andere Wahl, als die Preise in vielen Bereichen anzuziehen«, sagt er. Egal, ob es um Klebstoffe, Silikone oder Abdichtungsmassen geht, um Naturstein oder Fliesen – alles sei teurer geworden.
Einfluss auf die Auftragslage hat das alles bislang keinen. »Letztes Jahr im Juni war mir fast schwindelig vor lauter Aufträgen«, erzählt Müller. Das Telefon steht nicht mehr still, alle wollen wissen, wann es auf ihrer Baustelle endlich losgeht. Er verfasst einen Brief an diejenigen, die einen Auftrag bei ihm hinterlegt haben. Darin berichtet er transparent und ehrlich von den aktuellen Problemen und wie er vorhat, damit umzugehen. »Ich habe hier soundso viele Aufträge liegen, ich werde einen nach dem anderen nach Eingangsdatum abarbeiten. Die Dringlichkeit wird berücksichtigt«, schreibt er damals. Und listet auf, mit welchen Schwierigkeiten er zu kämpfen hat. Die Reaktion der Kund:innen ist größtenteils positiv und verständnisvoll.
Neben den strukturellen Erschwernissen muss die Kurt Müller GmbH zu dieser Zeit auch noch mit einem internen Vorfall kämpfen: Im Januar 2023 kommt es zu einem Brand in der Werkstatt. Glück im Unglück: Das Feuer breitet sich nicht weiter aufs Gebäude aus, sondern löscht sich mangels Sauerstoff selbst. »Als wir morgens die Werkstatt aufschlossen, haben wir uns gewundert, warum der Türgriff bei Minusgraden so warm war«, erzählt er. Zwei teure Maschinen sind so schwer beschädigt, dass sie ausgetauscht werden müssen, eine andere muss aufwändig repariert werden. Außerdem müssen die Decke neu gemacht und die Wände verputzt und gestrichen werden. Zum Glück ist der Betrieb gut versichert: Die Inhaltsversicherung bei der Allianz, die Müller für Büro und Werkstatt abgeschlossen hat, greift. Auch die Gebäudeversicherung ist jetzt Gold wert. »Das hat die Allianz super gut geregelt«, sagt Müller. »Ein, zwei Tage später waren die verschiedenen Gutachter schon vor Ort.«
»Ich bin der Überzeugung: Wenn man keine Versicherung hat, dann passiert garantiert was«
Manfred Müller
Insgesamt zehn bis fünfzehn Versicherungen hat er bei der Allianz. »Ich bin der Überzeugung: Wenn man keine Versicherung hat, dann passiert garantiert was.« Am häufigsten braucht er die Betriebshaftpflicht: »Es kann passieren, dass ein Arbeiter mit der Wasserwaage eine kostbare Vase umwirft. Deshalb bin ich froh, dass wir entsprechend abgesichert sind.«
Baustellen hat Müller mit seinem Betrieb mehr als genug – nicht nur im wörtlichen, sondern auch im übertragenen Sinn. Die zwei größten für ihn persönlich: der Personalmangel, aber auch die Frage der Nachfolge. »Ich fände es toll, wenn unser Familienbetrieb noch über die 60 Jahre hinauskommt. Jetzt kann ich meine Eltern verstehen, die mich damals lange gedrängt haben.« Er hofft, dass seine Tochter übernimmt und er sich mehr und mehr zurückziehen kann. »Irgendwann würde ich gern nicht mehr morgens der Erste und abends der Letzte hier sein. Einfach aufstehen, wenn ich ausgeschlafen habe, in Ruhe frühstücken und dann ein bisschen was werkeln.« Denn da ist er sich sicher: »Ganz ohne wird es bei mir nicht gehen.«
Text Angelika Zahn
Fotos Ramon Haindl