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09.08.2022

»Synthetische Kraftstoffe verbrennen sauberer«

Ein Kraftstoff, hergestellt aus Strom und Luft? Klingt zu schön, um wahr zu sein, funktioniert aber tatsächlich. Wie weit die Forschung schon ist und warum E-Fuels eine gute Ergänzung zur Elektromobilität sein können, erklärt Prof. Dr. Roland Dittmeyer vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Zur Person

Credit: Privat (Roland Dittmeyer)

Professor Dr. Roland Dittmeyer leitet das Institut für Mikroverfahrenstechnik (IMVT) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Dort arbeiten die Forschenden an der Herstellung von synthetischen Kraftstoffen mithilfe von Strom und CO2. »Power to X« nennt sich die Idee. 

Das IMVT erhält eine Grundfinanzierung durch die Helmholtz-Gemeinschaft. Es wurde 2001 gegründet, beschäftigt heute rund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und gilt als eine der weltweit führenden Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der Mikroverfahrenstechnik.

Herr Dittmeyer, was genau sind eigentlich E-Fuels? 

Das sind strombasierte, synthetische Kraftstoffe. Die Energie darin stammt aus elektrischem Strom und wird über die Elektrolyse aus Kohlendioxid, also CO₂, und Wasserstoff gewonnen.

Wie werden diese Kraftstoffe hergestellt? Ist das aufwendig? Ist es teuer?

Aufwendig ist es in jedem Fall. Man muss zunächst über die Elektrolyse quasi Energie in die Moleküle reinbringen, Wasser spalten und den Wasserstoff mit Kohlendioxid in ein Synthese-Gas umwandeln. Im nächsten Schritt dann den Kraftstoff herstellen. Vor allem die Elektrolyse braucht viel elektrische Energie. Einen Teil bekommt man als Abwärme wieder zurück. Wegen des Energiebedarfs und auch des hohen Aufwands ist der Kraftstoff, der entsteht, nicht billig. Wie teuer er ist, hängt stark davon ab, was der Strom kostet, den ich einsetze. Je billiger der Strom, desto günstiger werden E-Fuels.

Es gibt ja auch synthetische Kraftstoffe aus Biomasse. Wären die nicht nachhaltiger?

Ja, die können auch nachhaltig sein, aber man kann damit nicht die Mengen zum Energiemix beitragen, die wir benötigen werden. Wir brauchen landwirtschaftliche Nutzflächen, um die Ernährung sicherzustellen, es gibt nicht unendlich viel Biomasse, und es soll keine »Tank versus Teller«-Diskussion entstehen. Deswegen kommt in erster Linie nur Abfall-Biomasse infrage – und da ist das Potenzial begrenzt. Ich schätze, man könnte vielleicht 15 Prozent des Bedarfs damit decken.

Wie wurden Sie zum Experten für E-Fuels? Was reizt Sie an dem Thema?

Ich bin Verfahrenstechniker. Es ist also mein beruflicher Auftrag, mich um solche Dinge zu kümmern. Wir entwickeln am KIT auch besonders kompakte und effiziente Verfahren. Also zum Beispiel: Wie mache ich Kraftstoffe und Energieträger aus erneuerbarem Strom und Stoffen, die beliebig verfügbar sind, wie Wasser und CO₂. Und abgesehen vom Technischen spornt es mich natürlich an, dass wir die fossilen Energien auf null bringen müssen. Es ist höchste Zeit.

»Das Verfahren ist CO₂-neutral. Und das ist ja das große Ziel.«

Teuer, aufwendig – was ist dann der Vorteil?

Wenn wir CO₂ aus der Luft für die Elektrolyse verwenden, sind die Kraftstoffe im Prinzip CO₂-neutral. Und das ist ja das große Ziel. Denn bei Flugzeugen, Schiffen oder auch dem Schwerlastverkehr kommen wir mit der elektrischen Lösung nicht weit. Also können wir dort entweder weiter fossile Stoffe nutzen, was keiner will, oder wir stellen den benötigten Kraftstoff eben synthetisch her.

Für Flugzeuge, Schiffe und Lkw wird es auch in den nächsten Jahrzehnten keinen elektrischen Antrieb geben?

Nicht für die großen Einheiten. Natürlich gibt es auch schon elektrisches Fliegen – mit kleinen Maschinen über kurze Strecken. Mit Wasserstoff können Mittelstrecken geflogen werden. Aber auch da muss noch sehr viel entwickelt werden. Und: Man braucht dann auch neue Flugzeuge. Sinnvoll oder nachhaltig ist es sicher nicht, jetzt alle Lkw, Schiffe und Flugzeuge wegzuwerfen und neue zu bauen. Dann lieber synthetische Kraftstoffe.

Gibt es außer dem Preis noch weitere Nachteile?

Man hat bei allen Umwandlungsverfahren natürlich Energieverluste. Bei der Herstellung von E-Fuel ist etwa die Hälfte der Energie, die man als Strom reinsteckt, am Ende weg. Das ist aber nicht ungewöhnlich. Auch ein Kohlekraftwerk hat nur einen Wirkungsgrad von 30 bis 40 Prozent.

Wie teuer wäre denn ein Liter E-Fuel? 

Das kommt darauf an, wie teuer der Strom ist. Wenn man ihn für zwei Cent pro Kilowattstunde bekommt, dann kann man ungefähr mit 1,50 Euro pro Liter rechnen, wenn man ihn im großen Stil produziert.

Das wäre ja billiger als jetziges Benzin …

Langsam, das ist vor Steuern und ohne Gewinnmarge. Also 1,50 Euro sind die Herstellungskosten, nicht der Preis. Es ist dann Sache der Politik, das fair und anders zu besteuern als den fossilen Kraftstoff, der ja enorme Folgekosten bei der Umwelt und beim Klima verursacht.

»CO₂ aus der Luft wird genutzt, um E-Fuel herzustellen.«

Für wie umweltfreundlich halten Sie E-Fuels? 

Es kommt immer darauf an, wo der Strom und das CO₂ für die Produktion herkommen. E-Fuels wären nicht nachhaltig, wenn man zur Herstellung Strom und CO₂ aus einem Kohlekraftwerk verwenden würde. Man plant aber den Bau großer Anlagen für die E-Fuel-Herstellung dort, wo es viel kostengünstigen Strom aus erneuerbaren Quellen gibt – zum Beispiel in Chile, im Mittleren Osten oder in der Sahara. Dort nimmt man das CO₂ aus der Luft und produziert den E-Fuel zum Beispiel mit Solarstrom. Wenn der Kraftstoff verbrennt, entsteht wieder CO₂, das zurück in die Atmosphäre gelangt. Das ist ein Nullsummenspiel, ein CO₂-Kreislauf, der nachhaltig ist, denn es kommt kein zusätzliches CO₂ in die Atmosphäre. Verbrennt dagegen ein fossiler Kraftstoff, gelangt zusätzliches CO₂ in die Atmosphäre, dessen Kohlenstoff über Millionen Jahre in Kohle, Öl oder Gas gebunden war. 

 

Stößt ein Auto, das mit E-Fuel fährt, Abgase aus?

Klar, denn ich habe ja einen kohlenstoffhaltigen Energieträger, der bei der Verbrennung auch Abgase produziert. Aber unterm Strich verbrennen die synthetischen Kraftstoffe sauberer, weil sie keinen Schwefel und weniger Aromaten enthalten. Die Frage ist jetzt: Wie schafft man  Rahmenbedingungen, dass die Firmen sich dranmachen, diese Kraftstoffe herzustellen?

Was wäre Ihr Vorschlag?

Beim Kerosin gibt es eine Zumischquote. Dadurch ist ein Impuls gesetzt, solche Kraftstoffe herzustellen. Bei Schiffen gibt es noch keine Quote. Die würden wir brauchen, um die Herstellung attraktiv genug und den Markt sicher zu machen. Denn die Firmen müssten viel investieren. Ich würde mir auch wünschen, dass man ein Zertifizierungslabel einführt.

Produktionsort: In der PtL-Anlage des KIT wird aus CO₂ und Wasserstoff Synthesegas erzeugt. Daraus stellen die Forschenden dann unter anderem E-Fuels her
Glasklar: So sieht ein Liter des fertigen E-Fuels aus (li.). Das milchige
E-Wax ist ein Vorprodukt

Wobei Sie ja auch nicht gegen die Elektromobilität sind. Sollte man also beides parallel fördern?

Ich bin ja selbst vor zwei Jahren auf ein Batterie-Auto umgestiegen. Wobei es auch in dem Bereich die falsche Richtung ist, wenn die Batterien immer größer und die Autos immer schwerer werden. Insgesamt brauchen wir eine echte Wende. Den Leuten muss bewusst werden, dass man CO₂-Emissionen einsparen muss.

Das EU-Parlament hat Ende Juni beschlossen, dass ab 2035 keine Pkw mehr mit Verbrennungsmotor zugelassen werden dürfen. Für Pkw mit E-Fuels könnte es jedoch noch Ausnahmeregelungen geben. Was halten Sie davon?

Da bin ich immer ein bisschen hin- und hergerissen. Ich kann verstehen, dass man mit einem Verbrennerverbot für Pkw dort den Umstieg auf Elektro erzwingen will. Ganz einfach, um mehr E-Fuels für Anwendungen zu haben, die man nicht gut elektrifizieren kann. Allen voran Kerosin für die Luftfahrt oder Diesel für Schiffe, Lkw oder schwere Arbeitsmaschinen. In Deutschland haben wir ja zu wenig erneuerbaren Strom, und er ist auch relativ teuer. Allerdings können E-Fuels dort hergestellt werden, wo es viel kostengünstigen erneuerbaren Strom gibt. Und bei den meisten Verfahren zur E-Fuel-Produktion entstehen neben den Kraftstoffen für Flugzeuge und Schiffe auch Fraktionen, aus denen man synthetischen Diesel oder Benzin für Pkw machen kann. Das nicht zu erlauben, wäre aus zwei Gründen unklug: Erstens wäre es wirtschaftlich, weil Pkw-Fahrer bereit sind, mehr zu zahlen als z.B. für LKW- oder Schiffsdiesel oder Kerosin bezahlt wird. Somit erhöht sich auch der Anreiz, in die Herstellung von E-Fuels zu investieren, und wir gelangen schneller zu den benötigten großen Mengen an E-Kerosin oder Schiffsdiesel. Zweitens würde man die CO-Emissionen im Verkehr schneller reduzieren, wenn man E-Fuels als Zumischung zu fossilen Kraftstoffen auch bei Pkw zulassen würde. Da Anlagen zur Herstellung von E-Fuel nicht nur für zehn Jahre gebaut werden, braucht man auch eine langfristige Nutzungsperspektive, und die könnte in Neuzulassungen von Verbrennern auch nach 2035 bestehen. Die dann aber nur mit 100 Prozent E-Fuel betrieben werden dürfen. Unter dem Strich gehe ich aber davon aus, dass sich Elektrofahrzeuge im Pkw-Bereich langfristig weitgehend durchsetzen werden.

Gibt es synthetische Kraftstoffe heute schon an irgendeiner Tankstelle zu kaufen?

Ja, aber nicht aus Strom und CO₂, sondern die aus Erdgas oder Kohle. Biokraftstoffe natürlich auch, als Zumischung. Für Flugzeuge gibt es schon Bio-Kerosin, das aus Fettsäuren und Estern hergestellt wird. Wir werden im Institut auch immer mal gefragt, ob wir E-Fuel zur Verfügung stellen können. Wir haben natürlich Proben aus den Versuchsanlagen, die wir aber für die Charakterisierung verwenden, für Motorentests oder in Zukunft auch für einen Demonstrationsflug. Aber die großen Anlagen sind noch in Planung, erste kleinere sind im Bau.

Bis wann könnte es E-Fuels im Alltag geben?

Das kommt darauf an, wie man sie einführt. Man könnte sie anfangs dem herkömmlichen Kraftstoff beimischen, das wäre der einfachste Weg. Aber bis größere Mengen zur Verfügung stehen, dauert es noch ein bisschen. Unser Spin-off Ineratec baut gerade eine Anlage, die soll 3500 Tonnen pro Jahr erzeugen. Deutschland verbraucht aber 100 Millionen Tonnen an Erdölprodukten. Da sieht man, dass noch viel passieren muss. Ich denke, dass wir bis Ende des Jahrzehnts schon in den Bereich von mehreren Millionen Tonnen E-Fuel kommen werden.

Text Detlef Dreßlein

Fotos iStock, Cynthia Ruf, Amadeus Bramsiepe, Privat 

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