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16.08.2022

»Die Themse wird wieder zum Leben erweckt«

Eine Pub-Managerin, ein Autor und eine Anwohnerin erklären, was sie vom neuen Thames Tideway Tunnel halten. Drei kurze Gespräche über ein spektakuläres Untergrund-Projekt

Zur Person

Credit: Philip Dethlefs

Fahro Malik lebt seit 25 Jahren im Osten von London in Wapping. Seit 22 Jahren wohnt sie an der Themse, blickt von ihrem Balkon auf den Fluss und genießt die Sonne auf der Terrasse direkt am Wasser.

Die Anwohnerin: Fahro Malik

Mrs. Malik, was ist das Faszinierende an der Themse?

Sie ist facettenreich und hat viele Besonderheiten. Und das Beste, was ich daran so mag, ist, dass es ein Gezeitenfluss ist. Wir sehen also, wie die Flut kommt, wie die Flut geht. Im Sommer fahren viele Schiffe vorbei, und es ist einfach herrlich, den Fluss, seine Tierwelt, die Sehenswürdigkeiten und die Reflexion des Himmels zu beobachten. Und die untergehende Sonne spiegelt sich auch auf den gegenüberliegenden Gebäuden in Canary Wharf. Ich liebe das einfach.

Welche Bedeutung hat der Fluss für Londonerinnen und Londoner?

Die Themse in London ist, wie es in vielen anderen Städten ist, wirklich das Herzstück des Lebens. Sie ist eine Oase. Sie versorgt uns in dieser hektischen, schmutzigen Gegend mit einer Sauerstoffschicht. Und diese Gegend ist – wie viele andere Gebiete, die direkt am Fluss liegen – für uns eine Oase abseits der Hektik und der Umweltverschmutzung.

Was ist Ihr Lieblingsplatz an der Themse?

Mein Lieblingsplatz ist natürlich hier, wo ich lebe. Aber ich muss sagen, ich liebe die Tower Bridge und ich liebe die Aussicht von der Tower Bridge. Ein sehr seltener Anblick ist es, wenn sich die Brücke öffnet. Vergangenes Wochenende, als wir dort spazieren gegangen sind, fuhr ein riesiges Schiff hindurch, und dann wurde die Brücke wieder geschlossen. Das war ein fantastischer Anblick, ein echter Genuss – und es ist kostenlos.

Gibt es auch etwas, was Sie im Zusammenhang mit dem Fluss stört?

Es gibt zwei Dinge, die mich am Fluss stören. Eins sind die Schnellboote mit jaulenden Passagieren, denen ich aber keinen Vorwurf mache, ein Teil von mir wünscht sich, ich wäre selbst auf dem Boot, aber der Lärm ist ziemlich nervig. Und die andere Sache ist, dass ich als Freiwillige ab und zu mit einer Wohltätigkeitsorganisation helfe, den Fluss zu reinigen. Wir ziehen uns Gummistiefel und Handschuhe an und versuchen einige Gebiete zu reinigen. Und ich wünschte, die Leute würden keine Sachen hineinwerfen und den Fluss als Mülleimer benutzen.

Was erwarten Sie vom Tideway Tunnel, dem neuen Super Sewer?

Was ich über den Super-Sewer-Tunnel weiß, ist, dass er sich in den nächsten 100 Jahren sehr positiv auswirken wird. Der Fluss wird sauber sein. Jetzt ist es noch so: Wenn es zum Beispiel leicht regnet, verschmutzt es den Fluss enorm mit menschlichem Abfall, was ziemlich ekelhaft ist.

Zur Person

Credit: Philip Dethlefs

Sarah Allen ist Managerin des ältesten Pubs an der Themse. Das »Prospect of Whitby« wurde um 1520 gebaut. Sarah wohnt direkt über dem Pub und liebt ihren Balkon direkt am Wasser.

Die Pub-Managerin: Sarah Allen 

Mrs. Allen, was bedeutet Ihnen die Themse?

Ich habe jetzt den größten Teil meines Lebens in London gelebt, und die Themse ist einfach das Zentrum der Stadt. Es ist der friedliche Bereich. Am Wasser kann man herrlich spazieren gehen. Und jetzt lebe ich direkt am Fluss, das ist wundervoll, ich sehe ihn jeden Tag.

Und wie wichtig ist er für das »Prospect of Whitby«?

Er hat eine riesige Anziehungskraft. Wir sind der älteste Pub am Fluss. Die Aussicht ist herrlich. Wir haben einige Außenbereiche. Die Gäste kommen gern, um einfach hier zu sitzen und etwas zu trinken, zu entspannen und nur die Aussicht zu genießen.

Was mögen Sie an der Themse?

Die Aussicht jeden Morgen! Ich starte meinen Tag mit einem Kaffee und genieße einfach das Rauschen der Wellen. Dann vergesse ich, dass ich in der Stadt bin. Nach einem harten Arbeitstag entspanne ich mich am Abend, sitze auf dem Balkon, trinke ein Glas Wein und genieße einfach die Ruhe.

Wie hat sich die Themse nach Ihrer Wahrnehmung mit der Zeit verändert?

Die Themse hat sich während meines Lebens stark verändert. Sie ist viel sauberer als früher. Ich glaube, es war einmal ein toter Fluss, und jetzt ist er wieder zum Leben erwacht. Man sieht viele Wildtiere, Seehunde gibt’s da draußen, Vögel. Es ist jetzt viel sauberer als früher.

Was erwarten Sie vom Tideway Tunnel, dem neuen Super Sewer?

Wenn der neue Tunnel fertig ist, wird der Fluss hoffentlich noch sauberer und es kommen mehr Wildtiere. Und wenn sie fertig sind mit der Baustelle, wird der gesamte Weg am Fluss wiederhergestellt und der Park wieder schön gemacht. Das wird auch eine Bereicherung für die Gegend werden.

Zur Person

Credit: Philip Dethlefs

David Fathers ist Autor und Illustrator mehrerer Bücher über London, darunter »The London Thames Path«. Er setzt große Hoffnungen in den Tideway Tunnel, der die Themse nach seiner Einschätzung sehr viel sauberer machen wird.

Der Autor: David Fathers 

Mr. Fathers, was ist das Besondere an der Themse?

Es ist der Fluss, der London begründet hat. Die Römer kamen 43 n. Chr. hierher und gründeten Londinium. Der Grund dafür war, dass sie an einer bestimmten Stelle bei Niedrigwasser den Fluss durchwaten konnten; er war damals dreimal so breit wie heute. Schließlich haben sie eine Brücke von der Stadtseite zur Southwark-Seite gebaut. Der Fluss war also entscheidend, um London zu etablieren als eine Stadt, die dann wuchs und sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zur größten Handelsstadt der Welt entwickelte. Und viele Zeugnisse dieser Geschichte sind noch heute sichtbar.

Wie hat sich der Fluss in den vergangenen Jahren – oder Jahrhunderten – verändert?

Ich denke, die größte Veränderung an der Themse in den letzten 200 Jahren ist, wie viel ruhiger es heute ist. Vor 200 Jahren war der Fluss vollgestopft mit Segelschiffen, die oft Tage, wenn nicht Wochen darauf warteten, entladen zu werden. Es wurden Binnendocks gebaut, London blühte auf und wurde die größte Industriestadt der Welt. Aber in den 1960er-Jahren, mit dem Aufkommen der Containerisierung, war all das vorbei. Die großen Schiffe konnten die Themse nicht mehr hinauffahren. Es war zu eng. Es war zu flach. Jetzt passiert all das woanders, und hier ist es sehr viel ruhiger, als es vor 150 Jahren war.

Was ist Ihr Lieblingsplatz an der Themse?

Mein Lieblingsplatz an der Themse ist ein Ort, den ich beim Schreiben meines Buchs zum ersten Mal entdeckt habe: die Isle of Dogs. Der Pfad von der Isle of Dogs bis zur Themse-Barriere, den ich vorher noch nie gesehen hatte, obwohl er reich an Geschichte ist. Und er geht bis zu diesem ikonischen Sperrwerk, das gebaut wurde, um London vor Überschwemmungen zu schützen.

Was hat es mit dem neuen Tideway Tunnel auf sich?

Das ist ein neuer Super-Abwasserkanal, der das alte viktorianische Bazalgette-Abwassersystem ersetzen wird, das bei starkem Regen in London Regenwasser und Abwasser in die Themse spülen muss. Nirgendwo sonst kann das Abwasser derzeit abfließen. Aber der Thames Tideway Tunnel, der etwa 65 Meter unter dem Fluss liegt und etwa sieben Meter breit ist, wird das gesamte Regen- und Abwasser Londons aufnehmen und ökologisch sinnvoller entsorgen.

Was bedeutet das für die Zukunft der Themse?

Ich hoffe, mit der Fertigstellung des Tideway Tunnels wird der Fluss noch sauberer. Wir werden mehr Wildleben sehen, Robben und Delfine tauchen noch häufiger in der Nähe des Flussufers auf.

Credit: Tideway
Lebensader: Die Themse war mit ein Grund, warum London einst als Londinium 47 n. Chr. von den Römern gegründet wurde. Heute ist die Stadt eine Weltmetropole mit etwa neun Millionen Einwohnern – Tendenz steigend

Text    Philip Dethlefs
Fotos  Philip Dethlefs
Video Ed Wright, Philip Dethlefs, Max-Martin Bayer

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